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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0244
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240 | II. Die Abtei von Marchiennes

Der Bischof selbst habe dem Abt vor seiner Abreise Unterstützung und Hilfe zu-
gesichert.1004
Mit dieser Passage wollte Andreas zeigen, dass die Brüder aus Anchin von Be-
ginn an den Wiederaufbau der Abtei maßgeblich unterstützten, aber auch, dass der
Bischof hierbei als Vermittler eine zentrale Rolle spielte. Nach Andreas sollte die
Hilfe aus Anchin aber noch weiter gehen. So habe Amand aus Anchin sowohl gebil-
dete als auch ungebildete Brüder ausgewählt, die ihm in Marchiennes helfen sollten.
Während die einen sich auf die praktischen Tätigkeiten konzentrierten, seien die
anderen mit der Unterweisung der Brüder in der Gemeinschaft betraut worden.1005
Diese Mönche oder zumindest ein Teil von ihnen blieben dauerhaft in Marchiennes.
Davon zeugt die erste, um 1165 entstandene Version der Miracula. Darin bezeichnet
Andreas jene Mönche, die zu diesem Zeitpunkt sicher schon betagt waren, als amici
und erklärt, dass sie für ihre damalige Hilfe nicht gelobt werden wollten.1006
In Galberts Patrocinium wird nur beiläufig auf die Rolle der Mönche von An-
chin hingewiesen. Er bemerkt an einer Stelle sogar, dass nicht die Mönche aus
Anchin, sondern Brüder aus Saint-Bertin als erste in Marchiennes gewirkt hatten,
aber schließlich in ihr Kloster zurückgekehrt waren.1007
Unter den neuen Mönchen aus Anchin erinnert Galbert namentlich an Hugo,
den einstigen Kastellan von Cambrai, der nun das Amt des pincerna magnus be-
kleidete und durch sein besonders strenges Regiment hervortrat.1008 Des Weiteren
ist die Rede von einem Mönch aus Anchin namens Siger, der regelmäßig nach Mar-
chiennes kam und mit den spiritualia negotia betraut war. Er trug Sorge für die

1004 Andreas, Miracula Sanctae Rictrudis, II, c. 1, S. 100A-B: »Tune Atrebatensis Episcopus Marchianas
veniens, in tanto rerum defectu locum offendit, ut quod ei etiam necessario apponeretur, deesse con-
spiceret, scyphos, manutergia, scutellas etiam de Aquiscincto Fratres in ejus obsequiumm attulerunt.
Et post refectionem Abbatem leniter & blande consolatus est: spondet opera & effectu, non diffidere
monet, Deum affuturum promittit, cui non poterunt resistere omnes adversarii ejus.«
1005 Andreas, Miracula Sanctae Rictrudis, II, c. 1, S. 100B: »Fratresque litteratos & alios sine litteris, de
quorum vita & moribus securus erat, apud Aquiscinctum eligens, eos sibi coadjutor in domo Domini
constituit. Ex his alii foras egressi, in procurandis exterioribus operam dabant: alii vero interius medi-
tationi vacantes, legem & regulam vitae monachorum servandam verbo & opera demonstrabant.«
1006 Andreas, Miracula Sanctae Rictrudis, II, c. 1, S. 100D: »Sciens etiam quod laudari non appetunt, verum
dicendo tales offendere amicos expavesco.« dazu K. E Werner, Andreas von Marchiennes, S. 420-421.
In der zweiten Fassung, die vor 1174 entstanden sein dürfte, ist diese Passage ausgelassen worden.
1007 Galbert, Patrocinium, c. 4, S. 150A-B: »[...] dolens ultra quam credi vel dici possit, post discessum
monachorum S. Bertini [...].«
1008 Vgl. dazu Galbert, Patrocinium, c. 4, S. 150B. Es ist nicht ganz klar, ob er diese Funktion bereits in
Anchin ausübte oder erst in Marchiennes. Da der Konverse Fulchard unter Hugos austeritas zu leiden
hatte, ist anzunehmen, dass er für die Versorgung in Marchiennes zuständig war. Bei Hugo handelt es
sich um Hugo von Oisy. Da Hugo I. von Oisy wohl 1111 in Saint-Andre du Cateau Mönch wurde,
ist nicht ganz klar, ob der geannte Hugo mit diesem oder seinem gleichnamigen Sohn Hugo IE, der
ebenfalls Kastellan von Cambrai war, gleichzusetzen ist; siehe dazu unten S. 436.
 
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