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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0252
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248 | II. Die Abtei von Marchiennes

Marchiennes und des Priorats von Hamage und einem Verzeichnis sämtlicher Be-
sitzungen der Gemeinschaft. Bernard Delmaires detaillierte Analyse des Textes hat
ergeben, dass er mit großer Wahrscheinlichkeit in die Zeit zwischen 1116 und 1121
zu datieren ist und wohl sukzessiv entstanden sein dürfte.1036 Das Werk selbst ent-
stammt der Feder eines anonymen Verfassers und wurde, wie sein Prolog zu erken-
nen gibt, auf Anregung der Brüder und im Auftrag des Abtes verfasst.1037 So haben
die Brüder ihrem Abt vorgeschlagen, über die Lage des Klosters, die Verfassung
der Abtei, ihre Besitzungen und über ihre Vergangenheit für alle Unwissenden zu
schreiben, um damit künftig Streit zu vermeiden.1038 Die Zielsetzung dieses Werks
ist somit klar umrissen: Die Histoire-Polyptyque sollte der wiedererrichteten Ge-
meinschaft Identität stiften und sie wieder in ihrem sozialen Umfeld verankern.1039
Den Mönchen ging es darum, die Existenz ihres Klosters wieder in Erinnerung
zu rufen und zu legitimieren, um dadurch Streit um Besitz oder Rechte zu vermei-
den. So bemerkt der Verfasser in seinem zweiten Kapitel, dass es manchmal großen
Schaden bereite, wenn man über die Vergangenheit nicht Bescheid wisse. Es sei da-
her von großem Nutzen, wenn man aus Interesse oder aus Neugier die Anfänge der
Abtei und den Ursprung ihrer Besitzungen studiere und Antworten geben könne,
die auf Geschriebenem oder auf der Tradition beruhten.1040
Gleich zu Beginn räumt der Verfasser ein, dass er lediglich einen kurzen Abriss
der Frühzeit des Klosters liefern wolle, da es dazu bereits ein umfassenderes und
besseres Werk gebe.1041 In seiner Historia geht er zunächst auf Marchiennes ein und
ken in der Handschrift Douai, ms. 850, fol. 119v-142v enthalten. B. Delmaire, L’histoire-polyptyque,
S. 3-9 beschreibt diese Handschrift aus dem 12. Jahrhundert ausführlich. Die paläographische Analyse
Delmaires (S. 11-13) führt ihn zu dem Schluss, dass der Teil, der die histoire-polyptyque beinhaltet,
eine Kopie aus dem ersten Viertel des 12. Jahrhunderts darstellt.
1036 B. Delmaire, L’histoire-polyptyque, S. 11-13 datiert die Kopie des Textes anhand paläographischer
Befunde bereits auf das erste Viertel des 12. Jahrhundert, bevor er dann (S. 14-22) den Text anhand
inhaltlicher Kriterien in die Zeit zwischen 1116 und 1121 datiert.
1037 Zur Frage des Verfassers vgl. B. Delmaire, L’histoire-polyptyque, S. 34-36.
1038 B. Delmaire, L’histoire-polyptyque, § 1, S. 65: »Fratrum Marceniensis coenobii congruum visum est ut
suggererent abbati quatinus de positione loci, de constitutione abbati^ et de his qu§ ad eam pertinere
videntur, de quibusdam etiam qu§ aliquando per seriem pr^teriti temporis forte contigerant aliqua jube-
ret conscribi et nescientibus ea patefieri ut contentiones sepius obort§ qu§, sicut ait apostolus, ad nichil
utiles sunt possent funditus exterminari. Igitur secundum abbatis Imperium, licet inculto sermone, de
his aliquantulum collectum est, [...]. «
1039 Ch. Zwanzig, Gründungsmythen.
1040 B. Delmaire, L’histoire-polyptyque, § 2, S. 66: »Percunctari vero solet aut jus potestatis aut curiositatis
otiosa quo ritu vel qualiter elapsa tempora sint decursa, et c^nobiorum diversorum loca singula unde
et a quibus fundata fuerint atque constituta, reditusque eorum et predia unde sibi venerint ad unum-
quodque appendentia.«
1041 B. Delmaire, L’histoire-polyptyque, §1, S. 65: »[...] sed et de vita et actibus spetialium sanctorum
nostrorum quasi recapitulando quiddam succincte commemoratum est. Nam in alio opera plenius ac
diffusius cuncta inveniri fas est.« Gemeint sein könnte wohl die Vita Sanctae Rictrudis Hucbalds von
Saint-Amand, vgl. dazu K. Uge, Creating the Monastic Past, S. 115-127.
 
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