Metadaten

Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0264
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
260 | II. Die Abtei von Marchiennes

regelrechte Enklaven. Diese besondere Situation weckte die Begehrlichkeiten der
umliegenden Herren, die nicht selten selbst im Dienst des Klosters standen.1086
Die Wahl des aus der mächtigen Familie der Landas stammenden Abtes Ful-
chard könnte, wie Delmaire vermutet, auf die Hoffnung der Brüder zurückzufüh-
ren sein, dadurch einen besonderen Schutz zu genießen.1087 Die ohnehin schwierige
wirtschaftliche und politische Situation der Abtei wurde mit Abt Fulchards Politik
allerdings nicht gemildert, sondern weiter verschärft. Dem neuen Abt, Amand von
Castello, oblag es somit zunächst im Zuge der correctio, die wirtschaftliche Grund-
lage für die Existenz seiner Gemeinschaft zu sichern.
4.2. Das Polyptychon von Marchiennes
Eine der ersten Handlungen Abt Amands war, wie bereits gezeigt wurde, der Auf-
trag zur Abfassung der Histoire-Polyptyque.1088 Der zweite Teil dieses Werks, das
Polyptychon, liefert eine detaillierte Auflistung des Klosterbesitzes und beschränkt
sich dabei auf die allernötigsten Informationen. Delmaire beschreibt dies folgen-
dermaßen: »aucun nom, aucun detail de parcelles ou de champs avec leurs eens et
autres redevances, mais la repartition des domaines entre < reserves > et tenures, le
rappel insistant des corvees et rachats de corvees, des droits de justice encore davan-
tage revendiques avec force contre les propres officiers laics de l’abbaye.«1089
Die einzelnen Einträge des Polyptychons sind somit in ihrer Darstellung sehr
allgemein gehalten und verzichten voll und ganz auf Spezifizierungen. Dieser Be-
fund ist sicherlich auch der Tatsache geschuldet, dass die Histoire-Polyptyque, wie
bereits gezeigt wurde, mehr eine Dokumentation des Erbes der heiligen Rictrud
darstellte und somit eine überzeitliche Dimension besaß, als eine Verwaltungs-
schrift.1090 Dennoch ist das Polyptychon von Marchiennes für den Raum Nord-
frankreichs und Flanderns das älteste bekannte Beispiel für diese Art von Besitz-
verzeichnissen.1091 In den aus Marchiennes stammenden Handschriften Douai, BM,
1086 H. Platelle, Crime et chätiment, S. 166-168. VgL in ähnlicher Weise dazu auch die Studien zu Saint-
Amand: Ders., Le temporel de l’abbaye de Saint-Amand.
1087 B. Delmaire, L’histoire-polyptyque, S. 26, 121-122.
1088 Siehe dazu oben S. 247.
1089 B. Delmaire, L’histoire-polyptyque, S. 32.
1090 R. E Berkhofer, Day of Reckoning.
1091 Erst 50 Jahre später findet sich Vergleichbares im Chartular Guimans von Saint-Vaast (E. van Drival,
Cartulaire de l’abbaye de Saint-Vaast; G. Besnier, Le cartulaire de Guiman d’Arras, S. 91-96,453-478),
um 1175 das Polyptychon des Kathedralkapitels von Tournai (J. Dumoulin, J. Pycke, Les moulins,
S. 305-313), Ende des 12. Jh.s das Besitzverzeichnis von Saint-Ame in Douai (B. Delmaire, La par-
tition de prebendes, S. 32-33), 1194 das Besitzverzeichnis von Saint-Waudru in Mons (M. Bruwier,
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften