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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0278
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274 | II. Die Abtei von Marchiennes

Die Translation von Reliquien, wie im Falle von Sailly, war allerdings kein Einzel-
fall. So bemerkt Galbert in seinen Miracula beiläufig, dass Abt Amand und seine
Mönche die Reliquien der heiligen Eusebia und ihrer Mutter Rictrud nach Abscon
transferiert hatten, um wie er erklärt, die durch das Ostrevent ziehenden feindlichen
Heere daran zu hindern, die Ernte zu zerstören, die die Mönche für ihren Unterhalt
so dringend benötigten.1138 Vanderputten sieht auch in der Auswahl der hierfür
verwandten Heiligen deutliche Unterschiede. Während die Reliquien der heiligen
Rictrud und Eusebia in erster Linie Besitzansprüche manifestierten, habe beispiels-
weise der heilige Jonatus dazu gedient, Frieden zu stiften.1139
Fazit
Angesichts der desolaten wirtschaftlichen Situation der Abtei von Marchiennes,
zielte ihre correctio in besonderer Weise auf Veränderungen in den Besitz- und
Herrschaftsstrukturen ab. Abt Amand hatte nicht nur für die wirtschaftliche
Grundlage und Versorgung der Gemeinschaft zu sorgen, sondern auch in beson-
derer Weise für eine Verbesserung der Beziehungen der Abtei zu ihrem sozialen
Umfeld: Hierzu zählten neben den Vögten und Dienstleuten des Klosters auch die
benachbarten Abteien. Die Quellen aus Marchiennes geben zu erkennen, dass Abt
Amand eine aktive Wirtschafts- und Restitutionspolitik betrieb und sich dabei ganz
unterschiedlicher Mittel bediente: Neben der Exkommunikation, gerichtlichen und
außergerichtlichen Einigungen ist zudem die Abfassung der Histoire-Polyptyque
zu nennen, die unter anderem die Ansprüche des Klosters dokumentierte.
Die durch die Ermordung Graf Karls des Guten heraufbeschworene Krise der
Jahre 1127/1128 wirkte sich äußerst negativ auf die correctio des Klosters aus. Sie
zeigt, wie sensibel das Verhältnis zwischen dem Kloster und seinem sozialen Um-
feld war und wie stark die wirtschaftliche Situation der Gemeinschaft eben davon
abhing. Die auf die Außenbeziehungen und die Wirtschaft des Klosters gerichtete
correctio von Marchiennes war somit ein äußerst langwieriger Prozess und sein Er-
folg in hohem Maße abhängig von Situationen (Krise der Grafschaft) und Personen
(Graf).

1138 Galbert, Miracula, I, c. 4, S. 132E-F: »Flens itaque assidue Marceniensem apud villam, Asconium nun-
cupatam, accessit ad Abbatem, dum deferrentur corpora Sanctorum, beatae videlicet Rictrudis ejusque
filiae sacratissimae Virginis & sponsae Christi Eusebiae, extra Basilicam, propter removendum, pla-
candum sive terrendum exercitum Flandrensium, segetes vastantium Austrebantensium, ne idem fieret
novalibus deputatis victui Fratrum Marceniensium.«
1139 S. Vanderputten, Charles de Flandre et saint Jonat, S. 291.
 
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