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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0299
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5. Die zeitgenössischen Texte als Überreste der correctio | 295

Dies habe er wenige Zeit zuvor auch nicht für einen Bruder namens Robert tun
wollen, der, wie man nun erfährt, ebenfalls im Kloster zurückgeblieben war. Ro-
bert sei von adliger Herkunft gewesen, im Alter Mönch geworden und schließlich
aufgrund der schlechten Ernährung an Entkräftung gestorben. Fulchard habe ihm
aber bis zu seinem Tod treu gedient, sich um ihn gekümmert und auch nach seinem
Ableben für ein würdiges Begräbnis gesorgt.1211
Im Mittelpunkt des dritten Kapitels des Patrocinium steht eindeutig der au-
ßerordentliche Einsatz Bruder Fulchards für sein Kloster. Dieser habe sich seiner
Aufgabe voll und ganz hingegeben und sie treu und beständig ausgeübt. Am Bei-
spiel Fulchards zeigt Galbert, dass auch ein einfacher Konverse des Klosters ein
gottgefälliges und vorbildliches Leben führen konnte. Ihm gegenüber stehen die
übrigen Mönche des Klosters, für die Galbert kein gutes Wort findet. Zunächst
haben sie sich gegen ihren Abt aufgelehnt, der, wie der Text durchscheinen lässt, die
Absicht gehabt hatte, die religio des Klosters wiederherzustellen. Da sie sich die-
sem Ansinnen widersetzten, wurden sie aus der Gemeinschaft ausgeschlossen und
dies sogar mit bischöflicher Genehmigung.1212 Abt Fulchard hat somit einen ersten
Versuch einer correctio in Marchiennes unternommen, scheiterte damit aber auf
ganzer Linie, da er dadurch einen Großteil seiner Mönche verlor. Galbert scheint
bezüglich der Motive der Brüder aber durchaus skeptisch gewesen zu sein, fügte er
doch dem Vorwurf der Brüder, Abt Fulchard habe eine »tyrannische und ungerech-
te Herrschaft« geführt, die kritische Bemerkung »wie sie sagten« hinzu. Damit lässt
er durchscheinen, dass ihre Behauptung zweifelhafter Natur war und dass sie wohl
ganz andere Motive hatten. Der Hinweis auf den Eigenbesitz der Brüder, den sie
im Kloster zurückgelassen hatten, ist hierbei von großem Interesse. Galbert spricht
damit erneut jene latente Gefahr monastischer Alltagspraxis an, vor der sich jeder
gute Mönch in Acht nehmen sollte.1213
Ein weiterer Aspekt ist die Bezeichnung dieser Brüder als Gyrovagen.1214 Gal-
bert verweist damit nicht nur auf die konkrete Situation dieser Mönche, die im Um-
kreis des Klosters umherzogen, sondern auch und besonders auf ihre innere Ein-
1211 Galbert, Patrocinium, c. 3, S. 149B-C: »[...] praesertim cum hoc noluisset fieri paulo ante pro quodam
nobilis satis prosapiae laico monacho in suo senio, Rotberto nomine: quem diutino depressum langu-
ore, sagaci Studio pro posse servaverat; eique in cibo & potu, licet parco nec delicato, largo fletu tarnen
recompensato, parcus satis, pro nefas! pro defectu rerum, minister servieret. Quem licet universae
carnis viam ingressum dignis exequiis prosequeretur, tarnen pro ejus anima Deo commendanda aliunde
Sacerdotem asciverat, cum jam in eodem loco nec Levita ad eum tumulandum inveniretur.«
1212 So ist bei Galbert, Patrocinium, c. 2, S. 146E die Rede davon dass die Brüder »[...] quos partim sub
banni interminatione, partim Episcopali anathemate Abbas Fulchardus, antequam privaretur virg§ po-
testate, ab ipso coenobio excluserat [...].«
1213 VgL dazu die Geschichte um Bruder Fulchards Triefauge: Galbert, Patrocinium, c. 2, S. 145A-B.
1214 VgL dazu die RB 1, 10-11: »Quartum vero genus est monachorum, quod nominatur gyrovagum, qui
tota vita sua per diversas provincias ternis aut quaternis diebus per diversorum cellas hospitantur sem-
 
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