302 | II. Die Abtei von Marchiennes
Dass Galbert aus der Sicht und im Auftrag des neuen Abtes von Marchiennes
schrieb, ist mehr als offensichtlich. So bietet ihm der Dialog zwischen Bischof und
Fulchard Gelegenheit, sämtliche Argumente anzuführen, die die Unwürdigkeit Abt
Fulchards und vor allem dessen schlechte Amtsführung belegen. Mit der detaillier-
ten Schilderung der Missstände hebt Galbert indirekt die Leistung Amands bei der
correctio des Klosters hervor. Ex negativo führt er dem Leser zudem vor Augen,
was einen guten Abt ausmachte. Die Instandhaltung der Gebäude, Gerätschaften
und Besitzungen des Klosters und damit verbunden der Unterhalt der Mönche ste-
hen an erster Stelle, da sie die Rahmenbedingungen für die Existenz der Mönchsge-
meinschaft darstellen. An zweiter Stelle steht der Gottesdienst, der Tag und Nacht
begangen werden soll. Schließlich habe er dafür zu sorgen, dass die Klausur gewahrt
werde, um den Mönchen ein engelgleiches Leben gewährleisten zu können. GaL
berts Darstellung beschränkt sich aber nicht nur auf diese grundlegenden Aspekte
einer guten Klosterverwaltung, sondern zeigt zudem auf, welche inneren Einstel-
lungen für dieses Amt notwendig waren.
Während in den ersten drei Kapiteln des Patrocinium Bruder Fulchard zum
Idealbild eines guten Mönches, eines beatus homo, stilisiert wird, zeichnet das vierte
Kapitel am Beispiel Abt Fulchards das Negativbild eines Mönchs. Die Homonymie
der beiden Protagonisten ist hierbei nicht uninteressant: Auch wenn es sich bei den
beiden Fulcharden um zwei unterschiedliche Personen handelt, die zudem zwei
völlig konträre Konzepte des Mönchtums repräsentieren, deutet Galbert mit sei-
nem Spiel der Homonymie an, dass letztlich in jedem Mönch beide Einstellungen
zu finden sind. Der Streit zwischen Abt und Konverse um das Kloster kann somit
auf einer anderen Ebene als innerer Kampf um Erlösung oder Verdammnis inter-
pretiert werden.
Ganz im Gegensatz zu Bruder Fulchard zeichnet sich Abt Fulchards Verhalten
vor allem durch seine Unbeständigkeit aus. Anstatt sein Leben in den Dienst des
Klosters, seiner Heiligen und sein Amt als Abt zu stellen, zeugen seine Handlun-
gen in erster Linie davon, dass er noch voll und ganz in der Welt verhaftet war. Als
Mönch war er nämlich vor allem dem Übel des Eigenbesitzes verfallen, was sich
nicht nur in dem in der Vorratstruhe versteckten Goldschatz äußert, sondern auch
darin, dass er das verlassene Kloster als Besitz seiner Familie und nicht als Besitz der
heiligen Rictrud betrachtete.1236 Galbert stellt zudem heraus, dass Abt Fulchard sein
Handeln vollkommen an den Interessen seiner Verwandten orientierte, was letzt-
lich zu einer großen Unbeständigkeit führte - einer Einstellung, vor der sich jeder
1236 Siehe dazu oben S. 230-237.
Dass Galbert aus der Sicht und im Auftrag des neuen Abtes von Marchiennes
schrieb, ist mehr als offensichtlich. So bietet ihm der Dialog zwischen Bischof und
Fulchard Gelegenheit, sämtliche Argumente anzuführen, die die Unwürdigkeit Abt
Fulchards und vor allem dessen schlechte Amtsführung belegen. Mit der detaillier-
ten Schilderung der Missstände hebt Galbert indirekt die Leistung Amands bei der
correctio des Klosters hervor. Ex negativo führt er dem Leser zudem vor Augen,
was einen guten Abt ausmachte. Die Instandhaltung der Gebäude, Gerätschaften
und Besitzungen des Klosters und damit verbunden der Unterhalt der Mönche ste-
hen an erster Stelle, da sie die Rahmenbedingungen für die Existenz der Mönchsge-
meinschaft darstellen. An zweiter Stelle steht der Gottesdienst, der Tag und Nacht
begangen werden soll. Schließlich habe er dafür zu sorgen, dass die Klausur gewahrt
werde, um den Mönchen ein engelgleiches Leben gewährleisten zu können. GaL
berts Darstellung beschränkt sich aber nicht nur auf diese grundlegenden Aspekte
einer guten Klosterverwaltung, sondern zeigt zudem auf, welche inneren Einstel-
lungen für dieses Amt notwendig waren.
Während in den ersten drei Kapiteln des Patrocinium Bruder Fulchard zum
Idealbild eines guten Mönches, eines beatus homo, stilisiert wird, zeichnet das vierte
Kapitel am Beispiel Abt Fulchards das Negativbild eines Mönchs. Die Homonymie
der beiden Protagonisten ist hierbei nicht uninteressant: Auch wenn es sich bei den
beiden Fulcharden um zwei unterschiedliche Personen handelt, die zudem zwei
völlig konträre Konzepte des Mönchtums repräsentieren, deutet Galbert mit sei-
nem Spiel der Homonymie an, dass letztlich in jedem Mönch beide Einstellungen
zu finden sind. Der Streit zwischen Abt und Konverse um das Kloster kann somit
auf einer anderen Ebene als innerer Kampf um Erlösung oder Verdammnis inter-
pretiert werden.
Ganz im Gegensatz zu Bruder Fulchard zeichnet sich Abt Fulchards Verhalten
vor allem durch seine Unbeständigkeit aus. Anstatt sein Leben in den Dienst des
Klosters, seiner Heiligen und sein Amt als Abt zu stellen, zeugen seine Handlun-
gen in erster Linie davon, dass er noch voll und ganz in der Welt verhaftet war. Als
Mönch war er nämlich vor allem dem Übel des Eigenbesitzes verfallen, was sich
nicht nur in dem in der Vorratstruhe versteckten Goldschatz äußert, sondern auch
darin, dass er das verlassene Kloster als Besitz seiner Familie und nicht als Besitz der
heiligen Rictrud betrachtete.1236 Galbert stellt zudem heraus, dass Abt Fulchard sein
Handeln vollkommen an den Interessen seiner Verwandten orientierte, was letzt-
lich zu einer großen Unbeständigkeit führte - einer Einstellung, vor der sich jeder
1236 Siehe dazu oben S. 230-237.