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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0327
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5. Die zeitgenössischen Texte als Überreste der correctio | 323

schlimmen Wunde, die er sich im Kampf zugezogen hatte, gestorben war. Dies sei
in der Bevölkerung als ein großes Wunder angesehen worden.1300
Das Beispiel Hiluins nimmt im dritten Kapitel des zweiten Buchs der Miracula
einen besonderen Platz ein.1301 Die Geschichte zielt in erster Linie darauf ab, die
Person Hiluins zu diffamieren und der Nachwelt das Bild eines furchtbaren Tyran-
nen zu überliefern, der sich nicht nur ungerecht gegenüber dem Kloster, sondern
grausam gegenüber Mensch und Tier verhalten hatte.1302 Die einzige Möglichkeit
sich gegen ihn zur Wehr zu setzten, bestand für die Mönche darin, auf himmlische
Hilfe zu vertrauen. Durch clamor und Exkommunikation versuchten sie diese her-
beizurufen, was ihnen letztlich gelang.1303
Die als Wunder gedeutete unerwartete Wende im Falle Hiluins ist nicht zuletzt
deswegen interessant, weil Galbert in diesem Bericht über Ereignisse schreibt, die
zeitlich weiter zurückliegen. Dass er aber dieses Beispiel bewusst in seine Samm-
lung aufgenommen hat, könnte unter anderem daran liegen, dass es bemerkens-
werte Parallelen zwischen dem Beschriebenen und der Situation um 1127 gibt. So
ähnelt die Beschreibung der Burg Hiluins auffallend jener Burg, die Wilhelm von
Ypern in den Sümpfen bei Lecluse bewohnt hatte.1304 Gerade nach der Ermordung
Karls des Guten und im Zusammenhang mit den Unruhen um die Nachfolge im
Grafenamt hatte das Kloster von Marchiennes und besonders das Dorf Sailly-en-
Ostrevent unter den Übergriffen Wilhelms und seiner Männer zu leiden.1305 Für
Galbert, der wohl nach 1127 schrieb, war es freilich noch viel zu brisant, Wilhelm
von Ypern offen als Tyrann darzustellen. Ganz anders verhält es sich aber mit dem
non inefficaces emiserunt; tactisque fortiter signis, quem non poterant humanis, supernis vinculis, vin-
culis scilicet consueti anathematis, astrinxerunt.«
1300 Galbert, Miracula, II, c. 3, S. 139B: »Revoluto enim anni circulo, eadem kalenda, eadem die, eadem fere
hora, qua pro excommunicationis poena [pulsata fuerant monasterii signa] versa vice, terna repetitione,
pro ejus anima, corporis ab ergastulo longe exulante seque absentante, diro cruciatu vulneris ad cor
redeunte, in confinio dextri lateris fixi & inguinis vitalia penetrante, [eadem] signa terribili classico
insonuere. Cujus rei eventum innumerae plebes confluentes, in immensum miraculum reputabant.«
1301 Es ist möglich, dass dieses Beispiel von Galbert später hinzugefügt wurde. Zusammen mit einem Wun-
der eines englischen Studenten, wahrscheinlich Galbert selbst, schließt dieses dritte Kapitel das zweite
Buch der Miracula ab. Gerade der heterogene Charakter dieses letzten Kapitels legt die Vermutung
nahe, dass es später beigefügt wurde.
1302 Zur Diabolisierung der weltlichen Herren siehe oben Anm. 198.
1303 Zum clamor und zur humiliatio als probate Mittel der Mönche, den Heiligen zur Intervention zu
drängen vgl. P. J. Geary, The Humiliation of Saints; Ders., La coercition des saints.
1304 H. Platelle, Crime et chätiment, S. 194. Zur Beschreibung von Lecluse vgl. Andreas, Miracula, II, c. 3,
S. 105L: »Turris firma erat, villa, nemore, vivario, & aquis palustribus circumdata, cujus aditus una via
admodum arcta introeuntibus patebat. Locum hunc, ad expugnandum hostium incursus satis aptum,
Wilhelmus ingressus est.«
1305 Vgl. dazu S. Vanderputten, A Miracle of Jonatus; H. Platelle, Crime et chätiment, S. 194-195. Über die
Raubzüge durch das Ostrevent und besonders in der Gegend von Sailly berichtet Galbert im Zusam-
menhang mit dem Bekehrungswunder eines Ritters. Galbert, Miracula, I, c. 4, S. 132E-E Lecluse liegt
in den Sümpfen der Scarpe ziemlich genau zwischen dem im Text genannten Gouy und Sailly.
 
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