348 | III. Die Abtei Saint-Martin in Tournai
Kanoniker von Saint-Martin erhielten daher den Habit aus den Händen Aimerichs,
empfingen seinen Segen und wählten schließlich Odo zu ihrem Abt, bevor dieser
dann am 3. April 1094 geweiht wurde.1396
Als Abt der jungen Mönchsgemeinschaft habe Odo regelmäßig mit seinen Mit-
brüdern die Institutiones und die Vitae patrum Johannes’ Cassians gelesen und
das Gelesene in die Tat umsetzen wollen. Daher seien sie im dritten Jahr (1095) zu
dem Schluss gekommen, dass sich die Lage des Martinsklosters nicht für ein mo-
nastisches Leben eigne. In einer geheimen nächtlichen Aktion verließen die Brüder
Saint-Martin und machten sich auf den Weg nach Noyon, um Bischof Radbod um
Erlaubnis zu bitten, das Kloster an einem anderen Ort neu errichten zu dürfen. In
Tournai sei die Kunde vom Abzug der Brüder mit Entsetzen aufgenommen wor-
den, weshalb die Bewohner der Stadt und der Kastellan Druck auf Bischof Radbod
ausübten und letztlich mit dazu beitrugen, dass der Bischof dem Wunsch der Brü-
der nicht entsprach und sie zurück in ihr altes Kloster schickte.1397 Hermanns Vater,
der bischöfliche Vogt Rudolf Osmund, hielt zu dieser Zeit große Teile des Besitzes
von Saint-Martin vom Bischof als beneficium und habe sich bei dieser Gelegenheit
bekehrt, sei jedoch erst ein Jahr später ins Kloster eingetreten.1398
Nachdem sich die kleine Gemeinschaft wieder in Saint-Martin niedergelassen
hatte, sei Bischof Radbod schließlich persönlich nach Saint-Martin gekommen und
habe die Mönche auf gefordert, nicht mehr nach den Vitae patrum zu leben, sondern
sich ein Kloster zu suchen und dessen Consuetudines zu befolgen. Die Mönche
wählten daher die Gemeinschaft von Anchin, mit der sie bereits engere Beziehun-
gen unterhielten.1399
In Hermanns Darstellung wird deutlich, dass die Initiative zur restauratio des
Martinsklosters in erster Linie von den Bürgern der Stadt Tournai ausgegangen war.
iuniores a secularibus clericis sociis suis decepti ad seculum reducentur, quia unus idemque vester et
ipsorum est habitus; si autem monachi essent, postea nullum de vestris temptarent reducere, quoniam,
cum monachorum niger sit habitus, clericorum vero candidus, tanto horrori clerici habent habitum
monachorum, ut quem semel viderint monachum numquam deinceps dignentur habere socium.« ebd.;
nach Beratschlagung nahmen die Kleriker von Saint-Martin den Habit: »Crastino igitur summo mane,
finito capitulo, ad altare sancti Martini XII clerici eunt, vestem clericalem deponunt et monasticam
cum benedictione et triduano silentio per manum abbatis Haimerici suscipiunt, ita ut cum matutinos
et primam ritu clericali cantassent, iam terciam et omnes sequentes horas usque in hodiernum diem
monachorum more cantaverint.«
1396 Hermann, Liber, c. 38, S. 77: »Cumque magister Odo unum de sociis suis eligere conaretur, omnes
super eum irruentes unanimiter ipsum eligunt electumque domno Rabbodo episcopo presentant con-
firmandum, consecratusque est sequenti dominica Tornaci in ecclesia sancte Marie 1111° Non. Martii,
anno tercio conversionis sue.« Zur Umwandlung der Kanonikergemeinschaft in ein Mönchskloster vgL
B. Meijns, Aken of Jeruzalem?, S. 770-779.
1397 Hermann, Liber, c. 39, S. 78-80; die Mönche kamen zum Zeitpunkt der großen Prozession (14. Sep-
tember 1094) in die Stadt zurück.
1398 Hermann, Liber, c. 62, S. 110-113.
1399 Hermann, Liber, c. 55, S. 97.
Kanoniker von Saint-Martin erhielten daher den Habit aus den Händen Aimerichs,
empfingen seinen Segen und wählten schließlich Odo zu ihrem Abt, bevor dieser
dann am 3. April 1094 geweiht wurde.1396
Als Abt der jungen Mönchsgemeinschaft habe Odo regelmäßig mit seinen Mit-
brüdern die Institutiones und die Vitae patrum Johannes’ Cassians gelesen und
das Gelesene in die Tat umsetzen wollen. Daher seien sie im dritten Jahr (1095) zu
dem Schluss gekommen, dass sich die Lage des Martinsklosters nicht für ein mo-
nastisches Leben eigne. In einer geheimen nächtlichen Aktion verließen die Brüder
Saint-Martin und machten sich auf den Weg nach Noyon, um Bischof Radbod um
Erlaubnis zu bitten, das Kloster an einem anderen Ort neu errichten zu dürfen. In
Tournai sei die Kunde vom Abzug der Brüder mit Entsetzen aufgenommen wor-
den, weshalb die Bewohner der Stadt und der Kastellan Druck auf Bischof Radbod
ausübten und letztlich mit dazu beitrugen, dass der Bischof dem Wunsch der Brü-
der nicht entsprach und sie zurück in ihr altes Kloster schickte.1397 Hermanns Vater,
der bischöfliche Vogt Rudolf Osmund, hielt zu dieser Zeit große Teile des Besitzes
von Saint-Martin vom Bischof als beneficium und habe sich bei dieser Gelegenheit
bekehrt, sei jedoch erst ein Jahr später ins Kloster eingetreten.1398
Nachdem sich die kleine Gemeinschaft wieder in Saint-Martin niedergelassen
hatte, sei Bischof Radbod schließlich persönlich nach Saint-Martin gekommen und
habe die Mönche auf gefordert, nicht mehr nach den Vitae patrum zu leben, sondern
sich ein Kloster zu suchen und dessen Consuetudines zu befolgen. Die Mönche
wählten daher die Gemeinschaft von Anchin, mit der sie bereits engere Beziehun-
gen unterhielten.1399
In Hermanns Darstellung wird deutlich, dass die Initiative zur restauratio des
Martinsklosters in erster Linie von den Bürgern der Stadt Tournai ausgegangen war.
iuniores a secularibus clericis sociis suis decepti ad seculum reducentur, quia unus idemque vester et
ipsorum est habitus; si autem monachi essent, postea nullum de vestris temptarent reducere, quoniam,
cum monachorum niger sit habitus, clericorum vero candidus, tanto horrori clerici habent habitum
monachorum, ut quem semel viderint monachum numquam deinceps dignentur habere socium.« ebd.;
nach Beratschlagung nahmen die Kleriker von Saint-Martin den Habit: »Crastino igitur summo mane,
finito capitulo, ad altare sancti Martini XII clerici eunt, vestem clericalem deponunt et monasticam
cum benedictione et triduano silentio per manum abbatis Haimerici suscipiunt, ita ut cum matutinos
et primam ritu clericali cantassent, iam terciam et omnes sequentes horas usque in hodiernum diem
monachorum more cantaverint.«
1396 Hermann, Liber, c. 38, S. 77: »Cumque magister Odo unum de sociis suis eligere conaretur, omnes
super eum irruentes unanimiter ipsum eligunt electumque domno Rabbodo episcopo presentant con-
firmandum, consecratusque est sequenti dominica Tornaci in ecclesia sancte Marie 1111° Non. Martii,
anno tercio conversionis sue.« Zur Umwandlung der Kanonikergemeinschaft in ein Mönchskloster vgL
B. Meijns, Aken of Jeruzalem?, S. 770-779.
1397 Hermann, Liber, c. 39, S. 78-80; die Mönche kamen zum Zeitpunkt der großen Prozession (14. Sep-
tember 1094) in die Stadt zurück.
1398 Hermann, Liber, c. 62, S. 110-113.
1399 Hermann, Liber, c. 55, S. 97.