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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0358
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354 | III. Die Abtei Saint-Martin in Tournai

Odo selbst gab sich mit den Bedingungen zufrieden und konnte sich nun ganz dem
intellektuellen und spirituellen Bereich zuwenden.
Oft habe er das Kloster über lange Zeit nicht verlassen, da er sich dem Studium
widmete.1421 Während die meisten von Odos Werken aus seiner Zeit als Bischof
stammten und mitunter in Anchin entstanden sein dürften, lassen sich auch einige
wenige Werke in seinen Abbatiat datieren.1422 Von besonderer Bedeutung ist Odos
Hauptwerk De peccato originali, das wie sein Prolog zu erkennen gibt, in unmittel-
barer zeitlicher Nähe zu dieser zweiten Krise des Klosters entstanden war.1423 Unter
Abt Odo entwickelte sich die Gemeinschaft aber nicht nur zu einem intellektuellen
Zentrum. Der aus dem Jahr 1105 erhaltene Text würdigt Odo zudem dafür, dass er
für die Gemeinschaft die entsprechenden Gebäude errichtet und Land erworben
hatte und unter seiner Führung innerhalb von zwölf Jahren die Gemeinschaft auf
70 Mönche angewachsen war.1424 Dieser Text ist ungeachtet seiner Kürze ein sehr
wertvolles Zeugnis, da er im unmittelbaren Eindruck der Wahl Abt Odos zum neu-
en Bischof von Cambrai steht.1425

1421 Hermann, Liber, c. 79, S. 133.
1422 In seinen Episkopat fallen: Odo von Tournai, De blasphemia; Ders., Disputatio contra Leonern; Ders.,
De canonibus evangeliorum; Ders., Expositio. Dazu I. Resnick, Odo of Tournai and the Dehumaniza-
tion; Ders., On Original Sin. In den Abbatiat Odos könnten zwei unterschiedlich lange Versionen einer
Predigt datieren: Odo, De villico iniquitatis; dazu I. Bejczy, Prudence chretienne; es gibt eine ganze
Reihe von Predigten zu diesem Thema, was die Zuordnung von Odos Version in der älteren Forschung
erschwerte; vgl. dazu M. M. Lebreton, Recherches sur les manuscrits des sermons, S. 33-54, zu Odo
von Cambrai S. 34.
1423 Im Vorwort dieses Werks erklärt Odo, dass er das Werk nur geschrieben habe, weil ihn die Mönche
seiner Gemeinschaft so lange und inständig darum gebeten hätten und er nun, da er von allen weltlichen
Angelegenheiten entbunden sei, die Zeit gefunden habe, diese Fragen zu erörtern. (Odo von Tournai,
De peccato originali, Sp. 1071: »[...] Sed precor fratres ne me praesumptionis arguant, quod rem saepis-
sime concussam, et semper indiscussam, moliar discutere, et antiquum chaos nova luce perfundere.
Coegerunt enim me quidam fratres ut hoc facerem. Excusanti de occupatione exteriorum ingerebant,
ut maledictionem absconditi talenti caverem.«). Diese Passage diente der Forschung dazu, Odos Werk
zu datieren. Während in dieser Äußerung oft eine Anspielung auf Odos Zeit als Bischof und seinen
Rückzug nach Anchin gesehen und das Werk auf das Jahr 1110 datiert wurde, ist I. Resnick, On Ori-
ginal Sin der Meinung, das Werk sei in die Zeit seines Abbatiats in Tournai, also zwischen 1095 und
1105 zu datieren. Er sieht in der obigen Passage eine Anspielung auf jene Ereignisse, die Hermann von
Tournai in seinem Liber de restauratione schildert und hier als die zweite Krise der jungen Gemein-
schaft bezeichnet werden. I. Resnick, On Original Sin, S. 25 geht so weit, dieses Werk auf die Zeit vor
1099 zu datieren, wodurch es älter wäre als Anselms Werk über die Erbsünde (Anselm von Canterbury,
De conceptu virginali et de originali peccato, S. 135-173).
1424 Paris, BnF, nov. aq., ms. lat. 2195, fol. 119v: »[...] inter XIP annos non solum terras et mansiones et
officinas et qu^que usibus servorum dei sunt necessaria verum etiam plusquam LXXta monachos om-
nipotent! domino regulariter servituros in hoc loco aggregaverit.«
1425 So zunächst bei Hermann, Liber, c. 80, S. 135: »Sed cum, ut predictum est, inter vicinas ecclesias ma-
gna fama, prosperitate cenobium nostrum floreret, ecce subito cecidit corona capitis nostri, et defecit
gaudium cordis nostri.«; zeitlich am nächsten steht dem Ereignis sicher jener kurze Bericht über den
Weggang Odos am Ende der Handschrift Paris, BnF, nov. aq., ms. lat. 2195, fol. 119v. Dort ist die
Rede davon, dass: »Qui venerandus abbas eodem anno raptus ad episcopatum Cameracensis civitatis,
 
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