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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0364
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360 | III. Die Abtei Saint-Martin in Tournai

dieses Schreiben auf das Jahr 1107 datieren.1448 Hermann berichtet weiter, dass sich
die Kanoniker nach ihrer Rückkehr aus Rom nicht an die Entscheidung des Paps-
tes gebunden fühlten und sie vollkommen ignorierten. Erneut begannen sie damit,
Ritter dafür zu bezahlen, Brände zu legen und die Mönche zu berauben.1449 Eines
Abends schickten sie ihre servi zu einem Hof des Klosters, um ihn zu plündern.
Abt Segard habe daher einen Mönch namens Gerulf, der im weltlichen Leben einst
ein tapferer Ritter gewesen und mit den bedeutendsten Familien der Gegend ver-
wandt war, damit beauftragt, die Räuber von ihrem Vorhaben abzubringen. Diese
schlugen ihn aber derart nieder, dass er auf einer Trage ins Kloster zurückgebracht
werden musste.1450 Seine Verwandten seien darüber wenig erfreut gewesen und ver-
sammelten sich daher einige Tage später, um gegen die Kleriker und deren Männer
vozugehen. Beide Lager lieferten sich einen blutigen Kampf, der auf der Seite der
Kanoniker 18 Männern das Leben kostete.1451 Nach dieser schweren Eskalation des
Konflikts schaltete sich nun auch der Kastellan der Stadt ein. Indem er die Mönche
unter Druck setzte, konnte er sie schließlich dazu bewegen, einen Kompromiss mit
den Kanonikern einzugehen.1452 An einem festgesetzten Tag wurde die ausgehandel-
te Einigung vor einer Vielzahl von Zeugen von beiden Seiten anerkannt.1453
Die Beilegung des eskalierten Konflikts zwischen den Mönchen und Kanonikern
von Tournai ist neben Hermanns Chronik auch durch eine ganze Reihe von Briefen
aus dem Register Bischof Lamberts von Arras dokumentiert. Nachdem nämlich,
wie das bereits erwähnte päpstliche Schreiben zeigte, Bischof Balderich von Noyon-
Tournai der Auftrag zur Schlichtung des Streits entzogen worden war, sandte
Paschalis II. im Sommer 1108 ein Schreiben an Johannes von Therouanne und Lam-
1448 A. d’Herbomez, Chartes, D 20, S. 18 datiert dieses Schreiben auf das Jahr 1108. Der Inhalt dieses
Schreibens entspricht aber nicht dem im Sommer 1108 in Cappy getroffenen Beschlüssen. Das päpstli-
che Schreiben muss also, wie es Hermann in seiner Chronik tut, vor die Eskalation des Konflikts datiert
werden.
1449 Hermann, Liber, c. 88, S. 143: »Clerici namque Tornacenses, Roma reversi et omnia que dominus papa
eos sibi promisisse dixerat pretergressi, rursum nos incendiis devastare, militibus etiam ut nostra diri-
perent pecuniam dare ceperunt.«
1450 Hermann, Liber, c. 88, S. 143-144: »Quadam vero die advesperascente servientes suos ad curtem nos-
tram Dusiolpetram depredandam transmiserunt. Quod cum domno abbati Segardo nuntiatum fuisset,
premisit quendam nostrum monachum nomine Gerulfum, qui in vita seculari strenuus miles fuerat
optimatumque regionis cognatus erat, ad reprimendam audatiam raptorum. Illi autem cum armis et
multitudine venientes, curtem depredati sunt monachumque sibi resistere volentem tarn fortiter verbe-
raverunt, ut eum in lectulo ad ecclesiam nostrum necesse esset referri.«
1451 Hermann, Liber, c. 88, S. 144: »Unde cognati eius vehementer commoti, post paucos dies contra cleri-
cos et fautores eorum convenerunt initoque bello ex servientibus eorum decem et octo occiderunt,
quorundam vero pedibus abscisis omnes pariter in fugam converterunt.«
1452 Hermann, Liber, c. 89, S. 144-146.
1453 Hermann, Liber, c. 89, S. 146: »Sicque statuto die convenientibus vicinis abbatibus multisque aliis ec-
clesiasticis personis, utrimque statutum est et cyrographo confirmatum es tut nos more solito daremus
decimas, et de sepulture idem nobis liceret quod ecclesie Sancti Amandi et ceteris vicinis ecclesiis.«
 
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