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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0375
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5. Die correctio der Abtei ab 1136 371

dass Hermann in seiner Chronik die spätere Rolle Anchins in die Frühzeit seines
Klosters projiziert.1492 Dass der ordo cluniacensis über Anchin nach Saint-Martin
gekommen war, ist zwar durchaus plausibel und denkbar, nicht aber, dass dies so
früh geschehen sein soll. Die enge Verbindung zwischen Anchin und Saint-Martin
legt es jedoch äußerst nahe, dass die Gewohnheiten Clunys von Anchin aus früher
nach Tournai getragen wurden als in andere Klöster. Eben dies versucht Hermann
in seinem Liber de restauratione auch zu vermitteln: Saint-Martin gehörte zu den
ersten Klöstern dieser Art.1493 Dass Saint-Martin darüber hinaus auch weiter mit
den abbates comprovinciales und ihrem zelus religionis in Verbindung stand, zeigt
eine Handschrift aus dem Martinskloster, die die Beschlüsse des Generalkapitels
von 1131 in Reims überliefert.1494 Auch wenn dieser Befund noch lange nichts über
die Umsetzung des ordo cluniacensis und seine Abänderungen in der Gemeinschaft
von Saint-Martin aussagt, ist dadurch doch belegt, dass dieses Kloster dem zelus re-
ligonis zwischenzeitlich in irgendeiner Weise ausgesetzt war. Der Hinweis der Vita
Hugonis, man lebe heute in Saint-Martin vielleicht sogar noch strenger als früher,
aber auch die Bemerkung, man habe die alten Gewohnheiten abgeschafft, ist somit
ein Hinweis darauf, dass man sich in der Gemeinschaft nun vor allem an der stren-
geren Form des ordo cluniacensis orientierte.
5.2. Veränderungen in den Besitz- und Herrschaftsstrukturen
Die correctio von Saint-Martin zielte in hohem Maße auch auf eine Wiederherstel-
lung der guten Beziehungen zwischen dem Kloster und seinem sozialen Umfeld
ab. Abt Walter, so kann man dem Liber de restauratione entnehmen, habe bei den
weltlichen Herren sehr hohes Ansehen genossen und sei sogar zu einer sehr ho-
hen Stellung am gräflichen Hof aufgestiegen. Unter seinem Abbatiat habe Tournai
zudem seit langer Zeit wieder einen eigenen Bischof erhalten.1495 Als ehemaliges
Mitglied des Kathedralkapitels hatte Walter die notwendigen Verbindungen mit
Sainte-Marie und unterstützte deren Vorhaben mit großem Engagement. Hermann
selbst wurde im Auftrag seines Klosters und der Kanoniker der Stadt immer wie-
1492 Siehe dazu unten S. 446.
1493 Hermann, Liber, c. 79, S. 134.
1494 Paris, BnF, ms. lat. 2677, fol. 83v-84r.
1495 Hermann, Liber, c. 108, S. 177: »Hic etiam apud seculares tante reverentie effulsit, ut quadam vice in
curia Flandrens!, cum requireretur a comitissa utrum de negocio quod ventilabatur änderet iurare,
responderit prepositus Brugensis Rogerus, vir religiosus et opinionis bone, non ita oportere, immo
quod abbas Tornacensis solo verbo, hoc ipse cum omnibus Flandrie religiosis personis iureiurando
änderet confirmare. In huius ergo domnu Walteri diebus Tornacensem ecclesiam respexit deus, reddens
ei proprium episcopum et propriam dignitatem tot annis perditam.«
 
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