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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0382
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378 | III. Die Abtei Saint-Martin in Tournai

in Saint-Jean lag letztlich an der probitas der ersten Äbte. Vor dem Hintergrund der
heterogenen Zusammensetzung der Gemeinschaft mussten sie mit den unterschied-
lichen Einflüssen und Prägungen ihrer Mitbrüder umgehen können. Die probitas
bezieht sich aber auch hier wieder einmal auf das Geschick des Abtes, bestehendes
Klostergut zu verwalten und verlorengegangenes zurückzugewinnen.
Wie das neue Leben in Saint-Jean aussah, berichtet Hermann ausführlich, da er
damit das umstrittene Vorgehen des Bischofs von Laon verteidigen und rechtferti-
gen wollte.1526 Durch die Vertreibung der Nonnen habe das religiöse Leben an die-
sem Ort zu seiner alten Blüte zurückgefunden.1527 Nirgends in Lrankreich habe es
ein Kloster gegeben, das nach derselben Regel lebte, das eine solche religio, caritas
und hospitalitas an den Tag legte, wie Saint-Jean in Laon.1528 Hermann präzisiert
sodann, was er unter religio verstand: In der Abtei sei nämlich der Gottesdienst
immerwährend bei Tag und bei Nacht gefeiert, das Schweigen und die Observanz
streng beachtet und die Messfeier ebenfalls hundertmal frommer und häufiger ge-
feiert worden als zuvor. Zudem habe man die Gäste, die jeden Tag dort ankamen,
mit der größten Nächstenliebe empfangen.1529 Auch wenn Hermann an dieser Stelle
sein Verständnis von religio darlegt, wird doch deutlich, dass die genannten Begriffe
wiederum lediglich auf allgemeine monastische Tugenden verweisen, die keinerlei
Aussagen über die konkrete Alltagspraxis des Klosters zulassen.

1526 Hermann führt zahlreiche Bibelzitate an (Ps 79,95; Mt 21,38; Mt 21,41; Mt 21,43; Ps 123,24; Ps 101,19),
um das Handeln des Bischofs zu legitimieren. Bartholomäus war wohl vor allem mit dem Domkapitel
in Konflikt geraten, da mit der Umwandlung der Frauengemeinschaft in ein Männerkloster das eigens
für die Nonnen eingerichtete Stift Saint-Pierre mit seinen sechs Präbenden überflüssig wurde. Das
Domkapitel als Gründer des Stiftes forderte daher eine Entschädigung. Der Konflikt wurde erst 1153
nach der Abdankung Bartholomäus’ beigelegt. Vgl. hierzu A. Saint-Denis, Apogee d’une eite, S. 186.
1527 Über die äußere Wiederherstellung des Klosters erfährt man bei Heriman, Les miracles, III, c. 23,
S. 248: »nisi quod ipse abbas Balduinus in requirendis et retrahendis ecclesie possessionibus, quas
sanctimoniales negligenter distrahi permiserant, valde occupatus, et cotidiano labore fatigatus, nichil
magis conqueritur quam se non posse iugiter conventui fratrum interesse, vel hospitibus humanitatis
officium prout vellet impendere.«
1528 Heriman, Les miracles, III, c. 23, S. 248: »[...] Nec timendum est eum propter hoc sanctarum femina-
rum Sallaberge et Anstrudis, que eandem ecclesiam construentes sanctimonialium ordini deputaverunt,
iram incurisse: immo potius credendum est earum precibus talem voluntatem ei divinitus advenisse,
talesque abbates a Deo fore destinatos, qui et eius servitio, et ipsius ecclesie relevationi iugiter insistere
studeant. In nullo siquidem regni Francorum cenobio, quod eius dumtaxat sit institutionis, maiorem
religionem vel caritativam hospitalitatem, quam in ipso videmus hodie, fervere.«
1529 Heriman, Les miracles, III, c. 23, S. 248: »Dum ergo ipse sancte, quarum corporis et sanguinis Domi-
nici, non sicut prius, sed centuplo devotius et frequentius celebrari; religiosos hospites cotidie superve-
nientes cum caritatis dulcedine suscipi.«
 
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