384 | III. Die Abtei Saint-Martin in Tournai
vorgeschriebene Alter hatte, zum Altar von Saint-Martin und übergab ihn Gott.
Mit ihm schenkte er dem Kloster vier Mühlen.1550
Auch mit dieser Passage wollte Hermann die Bedeutung seiner Familie für die
Geschichte des Klosters hervorheben, war doch letztlich die Konversion und Ob-
lation Dietrichs wegweisend für die weitere Entwicklung des Klosters.1551 Darüber
hinaus fungiert Dietrich gerade im Kontext der correctio als Beispiel für einen vor-
bildlichen puer oblatus. Zentral ist zweifelsohne der eigene und feste Entschluss
des Kindes, ein religiöses Leben zu führen. Freiwillig blieb er bei den Religiösen
und ließ sich in den mandata, Dei unterweisen - und nicht etwa in irgendwelchen
Regeltexten.1552 Selbst die harte Probezeit, die hier freilich etwas verkürzt dargestellt
wird, überstand das Kind wie ein Erwachsener. Dietrich war nicht wankelmütig,
sondern fest überzeugt von seinem Entschluss. Bei ihrem Weggang aus Tournai, so
berichtet Hermann, wollten ihn die Mönche wegen des langen Weges nach Noyon
zurücklassen, wogegen Dietrich allerdings heftig protestierte. Er sei daher letzt-
lich zusammen mit den Büchern auf einen Karren gesetzt worden.1553 In Hermanns
Darstellung war Dietrich zwar körperlich noch nicht in der Verfassung, mit den
Großen mitzuhalten, aber in seinem Verhalten und seinem Eifer für Gott war er
ein puer senex.
Mit Konversionsberichten wie jenen Rudolf Osmunds und seines Sohns Diet-
rich zielte Hermann ungeachtet allen Lobes auf seine Familie vor allem darauf
ab, dem monastischen Leser deutlich vor Augen zu führen, aus welchen Grün-
den man das klösterliche Leben suchen sollte und welcher Anstrengungen dies
bedurfte. Gerade in der Zeit einer correctio war es wichtig, zu betonen, dass die
Entscheidung für ein religiöses Leben eines gewissen Eifers für Gott bedurfte,
aber dennoch wohl überlegt und keinesfalls überstürzt sein sollte. Wählte man das
klösterliche Leben mit der richtigen inneren Einstellung, war der Weg zur Voll-
kommenheit geebnet.
Auf einer zweiten Ebene dienen diese Konversionsgeschichten dazu, die Be-
deutung der Familie Osmund für das Kloster hervorzuheben. Gerade im Kontext
der correctio war dies besonders wichtig: Vor dem Hintergrund, dass die Ereignisse
1550 Hermann, Liber, c. 61, S. 110.
1551 So kommt Hermann einige Kapitel später auf Abt Hugo von Saint-Amand zu sprechen, der sah, dass
sich die Familie Osmund für das Leben bei den Armen von Saint-Martin und nicht für seine wohlha-
bende Abtei entschieden hatte; vgl. Hermann, Liber, c. 63, S. 114.
1552 Die ganze Geschichte weist einige Parallelen zur Bibel auf. So sucht Mainsendis ihren Sohn, wie Maria
Jesus im Tempel. Schließlich wird Dietrich gefunden, wie er zwischen den Gelehrten sitzt. Im Unter-
schied zur Bibel, wo Jesus den Gelehrten lehrt, hört er diesen zu.
1553 Hermann, Liber, c. 62, S. 110: »[...] Theodericum ibidem relinquere voluerunt; sed cum remanere
noluisset, nec tarnen utpote puer octo annorum itineris laborem pedes sustinere posset, plaustro eum
cum libris suis superposuerunt sicque secum abduxerunt.«
vorgeschriebene Alter hatte, zum Altar von Saint-Martin und übergab ihn Gott.
Mit ihm schenkte er dem Kloster vier Mühlen.1550
Auch mit dieser Passage wollte Hermann die Bedeutung seiner Familie für die
Geschichte des Klosters hervorheben, war doch letztlich die Konversion und Ob-
lation Dietrichs wegweisend für die weitere Entwicklung des Klosters.1551 Darüber
hinaus fungiert Dietrich gerade im Kontext der correctio als Beispiel für einen vor-
bildlichen puer oblatus. Zentral ist zweifelsohne der eigene und feste Entschluss
des Kindes, ein religiöses Leben zu führen. Freiwillig blieb er bei den Religiösen
und ließ sich in den mandata, Dei unterweisen - und nicht etwa in irgendwelchen
Regeltexten.1552 Selbst die harte Probezeit, die hier freilich etwas verkürzt dargestellt
wird, überstand das Kind wie ein Erwachsener. Dietrich war nicht wankelmütig,
sondern fest überzeugt von seinem Entschluss. Bei ihrem Weggang aus Tournai, so
berichtet Hermann, wollten ihn die Mönche wegen des langen Weges nach Noyon
zurücklassen, wogegen Dietrich allerdings heftig protestierte. Er sei daher letzt-
lich zusammen mit den Büchern auf einen Karren gesetzt worden.1553 In Hermanns
Darstellung war Dietrich zwar körperlich noch nicht in der Verfassung, mit den
Großen mitzuhalten, aber in seinem Verhalten und seinem Eifer für Gott war er
ein puer senex.
Mit Konversionsberichten wie jenen Rudolf Osmunds und seines Sohns Diet-
rich zielte Hermann ungeachtet allen Lobes auf seine Familie vor allem darauf
ab, dem monastischen Leser deutlich vor Augen zu führen, aus welchen Grün-
den man das klösterliche Leben suchen sollte und welcher Anstrengungen dies
bedurfte. Gerade in der Zeit einer correctio war es wichtig, zu betonen, dass die
Entscheidung für ein religiöses Leben eines gewissen Eifers für Gott bedurfte,
aber dennoch wohl überlegt und keinesfalls überstürzt sein sollte. Wählte man das
klösterliche Leben mit der richtigen inneren Einstellung, war der Weg zur Voll-
kommenheit geebnet.
Auf einer zweiten Ebene dienen diese Konversionsgeschichten dazu, die Be-
deutung der Familie Osmund für das Kloster hervorzuheben. Gerade im Kontext
der correctio war dies besonders wichtig: Vor dem Hintergrund, dass die Ereignisse
1550 Hermann, Liber, c. 61, S. 110.
1551 So kommt Hermann einige Kapitel später auf Abt Hugo von Saint-Amand zu sprechen, der sah, dass
sich die Familie Osmund für das Leben bei den Armen von Saint-Martin und nicht für seine wohlha-
bende Abtei entschieden hatte; vgl. Hermann, Liber, c. 63, S. 114.
1552 Die ganze Geschichte weist einige Parallelen zur Bibel auf. So sucht Mainsendis ihren Sohn, wie Maria
Jesus im Tempel. Schließlich wird Dietrich gefunden, wie er zwischen den Gelehrten sitzt. Im Unter-
schied zur Bibel, wo Jesus den Gelehrten lehrt, hört er diesen zu.
1553 Hermann, Liber, c. 62, S. 110: »[...] Theodericum ibidem relinquere voluerunt; sed cum remanere
noluisset, nec tarnen utpote puer octo annorum itineris laborem pedes sustinere posset, plaustro eum
cum libris suis superposuerunt sicque secum abduxerunt.«