392 | III. Die Abtei Saint-Martin in Tournai
zugehörig fühlten - und nicht zuletzt auch eine Kirche, die dem Patron der Armen
geweiht war.1574 Die Anfänge der jungen Gemeinschaft standen ganz im Zeichen
der Armut. Nur durch die Almosen der Bürger habe die Gruppe der Bekehrten, die
anfangs sehr unter dem großen Mangel gelitten hatten, überleben können.1575 Auch
wenn Hermanns Darstellung beim Leser wohl Mitleid erregen sollte und letztlich
die Leistungen der nachfolgenden Generation hervorhebt, rufen einige Passagen in
Erinnerung, welch große monastische Tugend die faktische, aber freiwillig gewählte
Armut war, da sie zu Schätzen im Himmelreich umgewandelt werde.1576 Die Armut
der Brüder generierte zudem nicht nur die besten monastischen Tugenden, sondern
führte letztlich auch zum wirtschaftlichen Erfolg der Gemeinschaft.
Im Zusammenhang mit der zweiten großen Krise in Saint-Martin berichtet Her-
mann, dass die Mönche weder Brot aus Weizen noch Wein hatten und deswegen
dazu gezwungen waren, Brot aus Wasser und Hafer zu backen: Wenn man es auf
den Tisch stellte, habe es ausgesehen wie ein Haufen verbrannten Strohs. Wenn es
vor den Mönchen mit dem Messer geschnitten wurde, habe es geschienen, als sei
mehr Stroh als Hafer darin. Aber da Bitteres gemäß Salomon einem Hungrigen süß
erscheine, aßen die Mönche dieses Brot und ließen keinen Krümel übrig. Einige,
die dies mitgemacht hatten, seien noch am Leben. Einer sei Ascelin, der Zellerar
des Klosters, gewesen. Damals habe er sich oft gefragt, ob er jemals den Tag erleben
würde, an dem das Kloster so reich sein würde, dass er seine Ration Brot erhalten
werde. Hermann fordert daher: »Wer auch immer von unseren Nachfolgern dies
lesen wird, bete für die Seelen seiner Vorgänger! Indem sie Brot aus Hafer und
Stroh, statt Brot aus Weizen aßen, und weil sie Geduld hatten und durch die Gnade
Gottes, erhielten sie eine Menge Brot aus Weizen.«1577
1574 Hermann, Liber, c. 5, S. 41-42.
1575 Entweder brachten die Bewohner etwas zu essen, oder die Religiösen gingen bettelnd durch die Stadt,
vgl. dazu Hermann, Liber, c. 37, S. 75.
1576 Siger, einem bekehrten Kanoniker, war im Traum ein Kanoniker erschienen, der einige Jahre zuvor
verstorben war. Hermann, Liber, c. 38, S. 78: »[...] »Domne Sigere, quid queritis de aliavita? In veritate
dico vobis, quod qui propter deum hic pauper fuerit ibi erit dives. [...].«
1577 Hermann, Liber, c. 70, S. 122-123: »[...] panis triticei aut vini, nisi forte ab aliquo divite eis transmitte-
retur, nulla erat mentio; siligo etiam omnino deerat; sola avena eis molebatur de molendino relata, nec
cribro nec tamisio farina purgabatur, sed statim aqua calida superfusa panis exinde fiebat, qui coctus
et monacho appositus paleis prominentibus ustilari posse videbatur, et quando cultello precidebatur,
maior palearum quam micarum coram monacho videbatur acervus, et quia iuxta Salomonern anime
esurienti etiam amara dulcia videntur, monachi fame tabescentes tanta aviditate panem illum avenacium
comedebant, ut de eo nec mice nec palee superessent. Nonnulli etiam ex illis adhuc supersunt, quorum
unus est domnus Ascelinus, qui domno Henrico in cellarii provisione vel obedientia successit, qui ad-
huc testatur se tune multociens cogitasse si aliquando posset videre diem, quo ecclesia Sancti Martini
tarn dives esset, ut ipse pane solummodo saturari posset. Quicumque ergo successorum nostrorum hec
legerint, orent pro animabus antecessorum suorum, qui panem non ordeaceum, sed avenacium cum
paleis comedendo, copiam eis panis triticei patientia sua per dei gratiam acquisiverunt.«
zugehörig fühlten - und nicht zuletzt auch eine Kirche, die dem Patron der Armen
geweiht war.1574 Die Anfänge der jungen Gemeinschaft standen ganz im Zeichen
der Armut. Nur durch die Almosen der Bürger habe die Gruppe der Bekehrten, die
anfangs sehr unter dem großen Mangel gelitten hatten, überleben können.1575 Auch
wenn Hermanns Darstellung beim Leser wohl Mitleid erregen sollte und letztlich
die Leistungen der nachfolgenden Generation hervorhebt, rufen einige Passagen in
Erinnerung, welch große monastische Tugend die faktische, aber freiwillig gewählte
Armut war, da sie zu Schätzen im Himmelreich umgewandelt werde.1576 Die Armut
der Brüder generierte zudem nicht nur die besten monastischen Tugenden, sondern
führte letztlich auch zum wirtschaftlichen Erfolg der Gemeinschaft.
Im Zusammenhang mit der zweiten großen Krise in Saint-Martin berichtet Her-
mann, dass die Mönche weder Brot aus Weizen noch Wein hatten und deswegen
dazu gezwungen waren, Brot aus Wasser und Hafer zu backen: Wenn man es auf
den Tisch stellte, habe es ausgesehen wie ein Haufen verbrannten Strohs. Wenn es
vor den Mönchen mit dem Messer geschnitten wurde, habe es geschienen, als sei
mehr Stroh als Hafer darin. Aber da Bitteres gemäß Salomon einem Hungrigen süß
erscheine, aßen die Mönche dieses Brot und ließen keinen Krümel übrig. Einige,
die dies mitgemacht hatten, seien noch am Leben. Einer sei Ascelin, der Zellerar
des Klosters, gewesen. Damals habe er sich oft gefragt, ob er jemals den Tag erleben
würde, an dem das Kloster so reich sein würde, dass er seine Ration Brot erhalten
werde. Hermann fordert daher: »Wer auch immer von unseren Nachfolgern dies
lesen wird, bete für die Seelen seiner Vorgänger! Indem sie Brot aus Hafer und
Stroh, statt Brot aus Weizen aßen, und weil sie Geduld hatten und durch die Gnade
Gottes, erhielten sie eine Menge Brot aus Weizen.«1577
1574 Hermann, Liber, c. 5, S. 41-42.
1575 Entweder brachten die Bewohner etwas zu essen, oder die Religiösen gingen bettelnd durch die Stadt,
vgl. dazu Hermann, Liber, c. 37, S. 75.
1576 Siger, einem bekehrten Kanoniker, war im Traum ein Kanoniker erschienen, der einige Jahre zuvor
verstorben war. Hermann, Liber, c. 38, S. 78: »[...] »Domne Sigere, quid queritis de aliavita? In veritate
dico vobis, quod qui propter deum hic pauper fuerit ibi erit dives. [...].«
1577 Hermann, Liber, c. 70, S. 122-123: »[...] panis triticei aut vini, nisi forte ab aliquo divite eis transmitte-
retur, nulla erat mentio; siligo etiam omnino deerat; sola avena eis molebatur de molendino relata, nec
cribro nec tamisio farina purgabatur, sed statim aqua calida superfusa panis exinde fiebat, qui coctus
et monacho appositus paleis prominentibus ustilari posse videbatur, et quando cultello precidebatur,
maior palearum quam micarum coram monacho videbatur acervus, et quia iuxta Salomonern anime
esurienti etiam amara dulcia videntur, monachi fame tabescentes tanta aviditate panem illum avenacium
comedebant, ut de eo nec mice nec palee superessent. Nonnulli etiam ex illis adhuc supersunt, quorum
unus est domnus Ascelinus, qui domno Henrico in cellarii provisione vel obedientia successit, qui ad-
huc testatur se tune multociens cogitasse si aliquando posset videre diem, quo ecclesia Sancti Martini
tarn dives esset, ut ipse pane solummodo saturari posset. Quicumque ergo successorum nostrorum hec
legerint, orent pro animabus antecessorum suorum, qui panem non ordeaceum, sed avenacium cum
paleis comedendo, copiam eis panis triticei patientia sua per dei gratiam acquisiverunt.«