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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0415
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7. Zur Konstruktion einer kollektiven Identität | 411

Der Name Clunys war für Hermann eine Art Gütezeichen, ein Marker für
ein besonders strenges Leben. Besonders eindrücklich wird dies in einer kurzen
Passage, in der Hermann die strenge Disziplin thematisiert, die Odo bereits vor
seiner Konversion zu eigen gewesen sei.1641 Die Strenge, die in seinem Unterricht
geherrscht habe, hätte nämlich in keinem Kloster größer sein können: »Niemand
wagte es zu lachen, mit seinem Nachbarn zu sprechen, zu tuscheln, nach rechts oder
links zu schauen. Wenn aber im Chor gefurzt wurde, hätte ein Cluniazenser keine
größere Strenge an den Tag gelegt.«1642 In Hermanns Augen war die Lebensweise
von Cluny also nichts anderes als der Inbegriff größter Strenge (districtio).
Dass die Lebensweise von Saint-Martin aber nicht nur rein nominell mit dem
guten Ruf Clunys, sondern auch tatsächlich in gewisser Weise mit dem ordo clunia-
censis in Verbindung stand, wurde an anderer Stelle bereits plausibel gemacht.1643
Das Beispiel von Lobbes, aber auch der Briefwechsel zwischen den abbates compro-
vinciales und Matthäus von Albano zeigen, dass die Zeitgenossen unter dem ordo
cluniacensis nicht zwangsläufig die aus Cluny überlieferten Consuetudines verstan-
den, sondern auch im weitesten Sinne jenen Ordo, der 1131 auf dem Generalkapitel
von Reims verabschiedet worden war.1644 Wenn Hermann somit behauptet, sein
Kloster habe sich an die Gewohnheiten von Cluny gehalten, umschreibt er letztlich
einen Ordo, der sich inhaltlich zwischen jenem Bernhards von Cluny und jenem der
Generalkapitel bewegte. Führt man sich vor Augen, dass Saint-Martin wohl durch-
aus den zelus religionis der abbates comprovinciales zu spüren bekommen hatte und
die correctio von 1136 in diesem Kontext steht, erhalten die erirmertenproposzta des
Liber de restauratione vielleicht eine andere Bedeutung. Die Betonung der Hand-
arbeit, des Schweigens, der strengen Klausur und der Verzicht auf prunkvolle litur-
gische Ausstattung spiegeln jene Aspekte klösterlichen Lebens wider, die gerade
bium tune in toto regno Francorum erat excellentissime religionis, quoniam nondum germinaverat
rigor Cisterciensis nec de domno Norberto adhuc aliqua mentio erat.«
1641 Hermann, Liber, c. 3, S. 38: »Cum ergo magister Odardus pro scientia sua ubique laudaretur, tanta
nichilominus in eo religionis pollebat dignitas, ut non minus pro ipsa ab Omnibus undique celebris et
famosus haberetur.«
1642 Hermann, Liber, c. 3, S. 38: »[...] vix in aliquo districtissimo monachorum cenobio maiorem invenire
potuisses religionem: nullus enim socio colloqui, nullus ridere, nullus audebat musitare, nemo dextera
levaque vel modicum oculos presumebat deflectere, ubi vero in choro ventum fuisset, superflue aliquis
districtionis causa alium Cluniacum quesisset.«
1643 Siehe dazu oben S. 369-371.
1644 VgL zum Beispiel den Brief des Matthäus von Albano, S. Ceglar, Guillaume de Saint-Thierry, S. 320-
333, in dem der Kardinallegat sein Unverständnis darüber ausdrückt, dass die Äbte Änderungen am
Ordo vorgenommen hatten, ebd., S. 330: »Silentium imponere, psalmodiam decurtare, ad operam ma-
nuum non exire, quae est ista nova lex? Quae est ista nova doctrina? Unde ista nova doctrina? Unde
ista nova regula? Unde ista, si anderem dicere, nova praesumptio et inaudita? Dilectissimi, hactenus
habuisti nomen bonum, plenum auctoritatis et gratiae; nolite, quaeso, facere vobis nomen plenum
vanitatis et arrogantiae.«
 
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