7. Zur Konstruktion einer kollektiven Identität | 413
comprovinciales danach strebten, das Mönchtum mithilfe des ordo cluniacensis zu
vereinheitlichen und zu kontrollieren, kommt Odo zugleich eine weitere Funkti-
on zu: Hermann macht dem Leser mit seiner Chronik deutlich, dass das strenge
Leben in Saint-Martin in erster Linie auf Odo und nicht auf den ordo cluniacensis
zurückging - und dass Odo persönlich die Gemeinschaft nachhaltig geprägt hatte.
Odo wurde dadurch auch ein Zeichen für Differenz. Er steht letztendlich für die
spirituelle Eigenständigkeit des Martinsklosters.
Hermanns mehrmalige Betonung, Saint-Martin habe den ordo cluniacensis be-
folgt, weist dagegen in eine andere Richtung. Indem Hermann seine Abtei mit dem
Namen Clunys in Verbindung brachte, setzte er ein nach außen hin sichtbares Zei-
chen und verortete seine Gemeinschaft in der Klosterlandschaft. Vor dem Hinter-
grund, dass Premontre und Citeaux zu dieser Zeit zu beträchtlicher Größe heran-
gewachsen waren, war es für Hermann angesichts der institutionellen Krise von
Saint-Martin besonders wichtig, eine Verbindung zu einem ähnlich großen Namen
herzustellen, wenngleich diese neuen Lebensweisen (Citeaux und Premontre) seiner
Meinung nach noch weit besser waren.
7.2. Premontre und Citeaux/Clairvaux
Mit der Bemerkung, die Gewohnheiten von Cluny sei damals die beste zur Ver-
fügung stehende Lebensweise gewesen, da es damals weder den rigor Cisterciensis
noch Norbert von Xanten gegeben habe, kommt Hermann auf zwei Lebensweisen
zu sprechen, denen seine besondere Aufmerksamkeit galt.1648 In seinem Liber de
restauratione aber vor allem in seinem De miraculis gibt Hermann sein äußerst
großes Interesse an den beiden neuen Lebensweisen zu erkennen. Eine besondere
Begeisterung für Norbert und seine Lebensweise findet ihren Ausdruck im dritten
Buch von De miraculis, das einen der wichtigsten und besonders zeitnahen Be-
richte über die Anfänge Premontres liefert.1649 Vor dem Hintergrund der desolaten
Situation, in der Bischof Bartholomäus das Bistum Laon bei seinem Amtsantritt
vorgefunden hatte, diente ihm die Gründungsgeschichte Premontres unter anderem
dazu, das erneute Erblühen des Bistums zu unterstreichen, denn von dort sei ein
neuer Glanz ausgegangen und ein neues Licht habe über nahezu den ganzen Erdball
1648 Hermann, Liber, c. 79, S. 134: »Cluniacense siquidem cenobium tune in toto regno Francorum erat
excellentissime religionis, quoniam nondum germinaverat rigor Cisterciensis nec de domno Norberto
adhuc aliqua mentio erat.«
1649 W. M. Grauwen, Herman van Doornik en Norbert; E J. Felten, Norbert von Xanten, die Gründung
von Premontre, S. 22 weist auf die äußerst selektive Sicht Hermanns auf die Anfänge Premontres hin.
comprovinciales danach strebten, das Mönchtum mithilfe des ordo cluniacensis zu
vereinheitlichen und zu kontrollieren, kommt Odo zugleich eine weitere Funkti-
on zu: Hermann macht dem Leser mit seiner Chronik deutlich, dass das strenge
Leben in Saint-Martin in erster Linie auf Odo und nicht auf den ordo cluniacensis
zurückging - und dass Odo persönlich die Gemeinschaft nachhaltig geprägt hatte.
Odo wurde dadurch auch ein Zeichen für Differenz. Er steht letztendlich für die
spirituelle Eigenständigkeit des Martinsklosters.
Hermanns mehrmalige Betonung, Saint-Martin habe den ordo cluniacensis be-
folgt, weist dagegen in eine andere Richtung. Indem Hermann seine Abtei mit dem
Namen Clunys in Verbindung brachte, setzte er ein nach außen hin sichtbares Zei-
chen und verortete seine Gemeinschaft in der Klosterlandschaft. Vor dem Hinter-
grund, dass Premontre und Citeaux zu dieser Zeit zu beträchtlicher Größe heran-
gewachsen waren, war es für Hermann angesichts der institutionellen Krise von
Saint-Martin besonders wichtig, eine Verbindung zu einem ähnlich großen Namen
herzustellen, wenngleich diese neuen Lebensweisen (Citeaux und Premontre) seiner
Meinung nach noch weit besser waren.
7.2. Premontre und Citeaux/Clairvaux
Mit der Bemerkung, die Gewohnheiten von Cluny sei damals die beste zur Ver-
fügung stehende Lebensweise gewesen, da es damals weder den rigor Cisterciensis
noch Norbert von Xanten gegeben habe, kommt Hermann auf zwei Lebensweisen
zu sprechen, denen seine besondere Aufmerksamkeit galt.1648 In seinem Liber de
restauratione aber vor allem in seinem De miraculis gibt Hermann sein äußerst
großes Interesse an den beiden neuen Lebensweisen zu erkennen. Eine besondere
Begeisterung für Norbert und seine Lebensweise findet ihren Ausdruck im dritten
Buch von De miraculis, das einen der wichtigsten und besonders zeitnahen Be-
richte über die Anfänge Premontres liefert.1649 Vor dem Hintergrund der desolaten
Situation, in der Bischof Bartholomäus das Bistum Laon bei seinem Amtsantritt
vorgefunden hatte, diente ihm die Gründungsgeschichte Premontres unter anderem
dazu, das erneute Erblühen des Bistums zu unterstreichen, denn von dort sei ein
neuer Glanz ausgegangen und ein neues Licht habe über nahezu den ganzen Erdball
1648 Hermann, Liber, c. 79, S. 134: »Cluniacense siquidem cenobium tune in toto regno Francorum erat
excellentissime religionis, quoniam nondum germinaverat rigor Cisterciensis nec de domno Norberto
adhuc aliqua mentio erat.«
1649 W. M. Grauwen, Herman van Doornik en Norbert; E J. Felten, Norbert von Xanten, die Gründung
von Premontre, S. 22 weist auf die äußerst selektive Sicht Hermanns auf die Anfänge Premontres hin.