418 | III. Die Abtei Saint-Martin in Tournai
wird deutlich, dass Hermanns Kritik an Bernhard wohl auch auf dessen Rekru-
tierungspraktiken zurückzuführen ist.1668 Wie stark Bernhards Einfluss war, zeigt
auch das Beispiel Hugos, des Gegenspielers Hermanns, der wie seine Vita zu be-
richten weiß, mit dem Gedanken gespielt hatte, Mönch in Clairvaux zu werden.1669
Da Bernhard sicherlich mit zu jenen Personen gehörte, deren Rat Hugo eingeholt
hatte - was letztlich zum Rücktritt Hermanns und zur correctio des Klosters ge-
führt hatte -, wird man hinter Hermanns Kritik am Abt von Clairvaux auch ganz
persönliche Gründe vermuten dürfen.
Ein weiteres Argument gegen Bernhard war der Umgang mit religiösen Frauen.
Im Gegensatz zu Citeaux wurden nämlich in Premontre, so Hermann, nicht nur
Männer, sondern auch Frauen aufgenommen, deren Lebensweise zudem noch weit-
aus strenger gewesen sei als die der Männer.1670 An anderer Stelle bemerkt er, dass es
gut hundert Klöster gegeben habe, die nach der Regel Norberts lebten, und schätzt
den Anteil der Frauen auf 10 000.1671 Hermanns Behauptung, Bernhard habe kei-
ne Frauen aufgenommen, wird erstaunlicherweise wenige Kapitel später widerlegt,
wenn er über die Gründung des Nonnenklosters von Montreuil berichtet: »Weder
in Büchern sei zu lesen, noch sei zu hören gewesen, dass es irgendwo auf der Welt
ein Frauenkloster von solcher Frömmigkeit gegeben hätte.«1672 Diese haben keine
Anstrengung gescheut, um das Reich Gottes zu erlangen. Daher haben sie der Welt
vollkommen entsagt und sich freiwillig die Lebensweise von Citeaux ausgesucht,
die so viele junge und starke Männer scheuten.1673 Ihre Kleider aus Leinen und ihre
Pelze tauschten sie gegen Tuniken aus grober Wolle ein. Zudem arbeiteten sie allein
von ihrer Hände Arbeit, welche sich allerdings nicht nur auf Spinnen und Weben
beschränkte, sondern harte körperliche Arbeit auf den Feldern und in den Wäldern
mit einschloss. Ihre Nahrung suchten sie schließlich unter Schweigen.1674 Hermanns
Begeisterung gilt hier besonders der strengen Askese und der harten körperlichen
Arbeit, die als sichtbares Zeichen ihrer tiefen Überzeugung für das monastische Le-
1668 Hermann, Liber, c. 112, S. 180: »Quo tempore contigit ut tarn ex ecclesia Sancte Marie Tornacensis
quam ex ipsa dyocesi multi clerici famosi conversionis gratia domnum Bernardum abbatem Clareval-
lensem sequerentur.«
1669 Vita Hugonis, c. 16, S. 344.
1670 Heriman, Les miracles, III, c. 7, S. 218-220.
1671 Neben der bereits angeführten Stelle Heriman, Les miracles, III, c. 6, S. 214 und ebd., c. 7, S. 220: »[...]
ut plusquam decem milia feminarum in eis hodie credamus contineri«, sei hier auch auf Hermann,
Liber, c. 86, S. 315 verwiesen.
1672 Heriman, Les miracles, III, c. 17, S. 234: »In nulla enim orbis parte antea vel lectum in codicibus, vel
auditum fuit auribus, huiuscemodi religionis abbatiam feminarum extitisse.«
1673 In Heriman, Les miracles, III, c. 7, S. 218 ist nicht die Rede davon, dass Bernhard die Frauengemein-
schaften nicht rechtlich anerkannte, sondern davon dass sie in Citeaux noch nicht einmal aufgenommen
wurden.
1674 Heriman, Les miracles, III, c. 17, S. 234.
wird deutlich, dass Hermanns Kritik an Bernhard wohl auch auf dessen Rekru-
tierungspraktiken zurückzuführen ist.1668 Wie stark Bernhards Einfluss war, zeigt
auch das Beispiel Hugos, des Gegenspielers Hermanns, der wie seine Vita zu be-
richten weiß, mit dem Gedanken gespielt hatte, Mönch in Clairvaux zu werden.1669
Da Bernhard sicherlich mit zu jenen Personen gehörte, deren Rat Hugo eingeholt
hatte - was letztlich zum Rücktritt Hermanns und zur correctio des Klosters ge-
führt hatte -, wird man hinter Hermanns Kritik am Abt von Clairvaux auch ganz
persönliche Gründe vermuten dürfen.
Ein weiteres Argument gegen Bernhard war der Umgang mit religiösen Frauen.
Im Gegensatz zu Citeaux wurden nämlich in Premontre, so Hermann, nicht nur
Männer, sondern auch Frauen aufgenommen, deren Lebensweise zudem noch weit-
aus strenger gewesen sei als die der Männer.1670 An anderer Stelle bemerkt er, dass es
gut hundert Klöster gegeben habe, die nach der Regel Norberts lebten, und schätzt
den Anteil der Frauen auf 10 000.1671 Hermanns Behauptung, Bernhard habe kei-
ne Frauen aufgenommen, wird erstaunlicherweise wenige Kapitel später widerlegt,
wenn er über die Gründung des Nonnenklosters von Montreuil berichtet: »Weder
in Büchern sei zu lesen, noch sei zu hören gewesen, dass es irgendwo auf der Welt
ein Frauenkloster von solcher Frömmigkeit gegeben hätte.«1672 Diese haben keine
Anstrengung gescheut, um das Reich Gottes zu erlangen. Daher haben sie der Welt
vollkommen entsagt und sich freiwillig die Lebensweise von Citeaux ausgesucht,
die so viele junge und starke Männer scheuten.1673 Ihre Kleider aus Leinen und ihre
Pelze tauschten sie gegen Tuniken aus grober Wolle ein. Zudem arbeiteten sie allein
von ihrer Hände Arbeit, welche sich allerdings nicht nur auf Spinnen und Weben
beschränkte, sondern harte körperliche Arbeit auf den Feldern und in den Wäldern
mit einschloss. Ihre Nahrung suchten sie schließlich unter Schweigen.1674 Hermanns
Begeisterung gilt hier besonders der strengen Askese und der harten körperlichen
Arbeit, die als sichtbares Zeichen ihrer tiefen Überzeugung für das monastische Le-
1668 Hermann, Liber, c. 112, S. 180: »Quo tempore contigit ut tarn ex ecclesia Sancte Marie Tornacensis
quam ex ipsa dyocesi multi clerici famosi conversionis gratia domnum Bernardum abbatem Clareval-
lensem sequerentur.«
1669 Vita Hugonis, c. 16, S. 344.
1670 Heriman, Les miracles, III, c. 7, S. 218-220.
1671 Neben der bereits angeführten Stelle Heriman, Les miracles, III, c. 6, S. 214 und ebd., c. 7, S. 220: »[...]
ut plusquam decem milia feminarum in eis hodie credamus contineri«, sei hier auch auf Hermann,
Liber, c. 86, S. 315 verwiesen.
1672 Heriman, Les miracles, III, c. 17, S. 234: »In nulla enim orbis parte antea vel lectum in codicibus, vel
auditum fuit auribus, huiuscemodi religionis abbatiam feminarum extitisse.«
1673 In Heriman, Les miracles, III, c. 7, S. 218 ist nicht die Rede davon, dass Bernhard die Frauengemein-
schaften nicht rechtlich anerkannte, sondern davon dass sie in Citeaux noch nicht einmal aufgenommen
wurden.
1674 Heriman, Les miracles, III, c. 17, S. 234.