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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0429
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425

IV. Die Abtei von Anchin

Bei der Abtei von Anchin handelt es sich um eine recht junge Gemeinschaft, deren
Gründung in den Kontext des religiösen Aufbruchs zu setzen ist und die vor allem
durch die Bischöfe von Cambrai besonders gefördert wurde. An eine mögliche cor-
rectio dieser jungen Gemeinschaft erinnert die klostereigene Historiographie nicht
und auch in der Forschung ist nicht die Rede von einer »Reform«. Dennoch sind
sich die Historiker einig, dass die Abtei ab einem bestimmten Zeitpunkt den ordo
cluniacensis befolgte. Zudem gibt es deutliche Indizien dafür, dass das Kloster ab
1111 eine correctio erfahren hatte. In eben diese Zeit lässt sich das erste größere his-
toriographische Werk Anchins datieren. Eine Analyse dieses Textes wird wichtige
Erkenntnisse darüber liefern, inwieweit dieses Werk die correctio der Gemeinschaft
unterstützte.
Während die Überlieferung der Abtei von Anchin in der ersten Hälfte des
12. Jahrhunderts eher spärlich ausfällt, ändert sich dies in der zweiten Hälfte des
Jahrhunderts. Neben einigen historiographischen und hagiographischen Texten ist
vor allem ein paränetischer Text zu nennen, aber auch auf das Skriptorium und
die Bibliothek des Klosters zu verweisen. Sie liefern wichtige Einblicke in die In-
teressen und die Spiritualität der Gemeinschaft. Zudem erlauben sie es, nach den
Vorstellungen zu fragen, die die Mönche in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts
von correctio und einem gottgefälligen Leben hatten.
Die Abtei von Anchin erweist sich schließlich auch deshalb als Untersuchungs-
gegenstand besonders geeignet, weil sie in der Forschung vor allem ab den 1130er
Jahren als Zentrum einer »Reformbewegung« angesehen wurde. Anchin trug dem-
nach maßgeblich dazu bei, dass der von den Generalkapiteln der Kirchenprovinz
Reims geprägte ordo cluniacensis in einer zweiten »Reformwelle« in der Gegend
filiationsartig verbreitet wurde. Es gilt daher, die herausragende Rolle Anchins, die
auch von Zeitgenossen bezeugt wurde, näher zu beleuchten. Von besonderem In-
teresse ist dabei die Tatsache, dass mit den Generalkapiteln der Kirchenprovinz
Reims das Modell der Filiation in seinen Ansätzen zwar durchaus bekannt war, bei
 
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