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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0438
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434 | IV. Die Abtei von Anchin

1102 wählten die Brüder von Anchin Gelduin zu ihrem Abt. Als Mönch, der ei-
gentlich die Einsamkeit suchte, war er nun mit den Aufgaben und Verantwortungen
eines Abtes betraut. Ein in der Historia monasterii überlieferter Brief Anselms von
Canterbury veranschaulicht, mit welchen Problemen Gelduin während seines Ab-
batiats zu kämpfen hatte. Anselm ging in diesem Schreiben auf zwei Bereiche ein,
die eng mit den während der Kirchenreform diskutierten Fragen verbunden waren:
zum einen die Frage nach dem Rückkauf von Kirchenzehnten und zum anderen
die Frage nach der Gültigkeit von Sakramenten, die von simonistischen Priestern
gespendet wurden.1720 Welche konkreten Situationen und Probleme Gelduin dazu
bewogen hatten, sich an den großen Gelehrten zu wenden, lässt sich nicht sagen.
Gelduins Sorge um sein Kloster zeigt sich auch darin, dass er 1104 eine Urkunde
für seine Gemeinschaft erwirkte, in der Papst Paschalis II. sämtliche Besitzungen
Anchins bestätigte.1721
Auch wenn Gelduin somit als verantwortungsvoller und bedachter Abt er-
scheint, dürfen die beiden genannten Texte nicht darüber hinwegtäuschen, dass er
sich den Aufgaben eines Abtes nicht gewachsen fühlte. 1110 fasste er daher den
Entschluss, sein Amt niederzulegen. In einem kurzen Schreiben an Lambert von
Arras unterrichtete die Gemeinschaft von Anchin ihren Oberhirten über das Vor-
haben ihres Abtes.1722 Darin erfährt man zudem, dass die meisten Mönche seinen
Entschluss nicht akzeptieren wollten und ihn drängten im Amt zu bleiben. Doch
Gelduin hielt an seinem Vorhaben fest.1723 In einem Brief an den Bischof nennt er
gesundheitliche Probleme als Grund für seinen Rücktritt.1724
Die historiographischen Texte aus Anchin begründen Gelduins Rückzug da-
gegen mit Amtsmüdigkeit und dem Verlangen nach einem zurückgezogenen Le-
ben.1725 Dass es sich dabei um einen Topos handelt, der innere Zwistigkeiten im
Georges in Hesdin seit 1094 ein Priorat von Anchin war, bekräftigt diese Hypothese. Zu Saint-Georges
vgl. J. P. Gerzaguet, L’abbaye d’Anchin, S. 246-252.
1720 Historia, S. 586.
1721 J. P. Gerzaguet, Privileges et lettres des papes, D 2, S. 783-784. Die Urkunde ist ediert in: Ders., Les
chartes de l’abbaye d’Anchin, D 23, S. 117-119.
1722 C. Giordanengo (Hg.), Le registre de Lambert, E 101, S. 466: »Praecamur autem ut simpliciati potius
quam arrogantiae imputetis quod non primo cum eis hujus Consensus nostri litteras misimus vobis.«
1723 C. Giordanengo (Hg.), Le registre de Lambert, E 101, S. 466: »Noverit paternitas reverenda vestra nos
omnes dedisse donno Gelduino, pridem abbati nostro, talem per omnia licentiam dimittendae abbatiae
qualem rescistis, sive per ipsum, sive per donnum Amandum priorem nostrum fratresque quos cum eo
direximus.«
1724 C. Giordanengo (Hg.), Le registre de Lambert, E 110, S. 478: »[...] certe salus corporis quae jam deficit
ad tantum pondus nullo modo sufficiens esset.«
1725 Auctarium, S. 395: »Hoc etiam anno Gelduinus, quarto loco Aquicincti abbas, fastidiens onus regimi-
nis, potiusque eligens ocium olim actae reclusionis, reliquit curam animarum [...].« Historia, S. 586:
»Qui Gelduinus postmodum pastorale onus fastidiens et speculativae vitae ardentius intendere desi-
derans, abbatiam dimisit [...].«
 
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