2. Die correctio der Abtei ab 1111 | 437
liegt darüber hinaus in der Ehe, die der neue Kastellan von Cambrai, Hugo II., mit
Hildiard, der Tochter Gossuins I. von Mons und dessen Ehefrau Ermengard, einge-
gangen war. Nach Gerzaguet bestand für das Kloster von Anchin nun die Gefahr,
dass die Kinder der Stifter die Schenkungen ihrer Eltern wieder Zurücknahmen, um
ihre Macht und Herrschaft vor allem gegenüber dem Bischof von Cambrai auszu-
bauen.1738 Die Anfeindungen gegenüber Abt Robert dürften also in erster Linie vom
neuen Kastellan von Cambrai ausgegangen sein. Interessanterweise scheint dieser
äußere Konflikt, der die Besitzungen des Klosters betraf, in das Innere der Gemein-
schaft gestrahlt zu haben. Gerzaguet nimmt an, dass es in der Gemeinschaft eine
nicht unbedeutende Gruppe von Mönchen gab, die die Interessen der Familien von
Oisy und Mons vertraten.1739
Abt Robert konnte dagegen mit der Unterstützung Odos rechnen, des Bischofs
von Cambrai, der, wie bereits gezeigt wurde, enge Beziehungen zu Anchin unter-
hielt. In einer Urkunde von Anfang 1111 spielt Odo auf dessen schweres Los an und
versucht ihn zu ermutigen: »Du siehst, dass durch die übergroße Ungerechtigkeit
die Nächstenliebe vieler erkaltet, du siehst, dass die Verschlagenheit der Ungerech-
ten den Frieden stören kann, den Christus, als er zu seinem Vater zurückkehrte,
seiner Kirche hinterließ.«1740 Die Anfeindungen und der Widerstand innerhalb und
außerhalb des Klosters müssen letztlich aber so groß gewesen sein, dass Robert sein
Amt selbst niederlegte.
Die Anspielung des Audarium, Robert könnte durch Simonie in sein Amt ge-
kommen sein, ist äußerst fraglich. Fest steht, dass der unausgesprochene Verdacht
auf Simonie Eingang in das Gedächtnis der Gemeinschaft gefunden hat, wodurch
ein negatives Andenken an Abt Robert erhalten wurde, was nicht zuletzt den Ab-
batiat seines Nachfolgers weitaus glänzender erscheinen ließ.1741
Die nun folgende Wahl der Brüder fiel erneut auf Gelduin, der inzwischen in
Saint-Bertin lebte. Ein Brief desselben an Bischof Lambert von Arras berichtet von
eben dieser zweiten Wahl, die der ehemalige Abt von Anchin allerdings weit von
sich wies.1742 Neben seinem Wunsch nach einem frommen Leben dürfte die feind-
1738 J. P. Gerzaguet, L’abbaye d’Anchin, S. 81-82.
1739 J. P. Gerzaguet, L’abbaye d’Anchin, S. 82. Zu diesem Phänomen vgl. S. Patzold, Konflikte im Kloster.
1740 J. P. Gerzaguet, Les chartes de l’abbaye d’Anchin, D 26, S. 122: »Vides quod, abundante iniquitate
refrigescit caritas multorum, vides quod pacem quam Christus ad patrem rediens §cclesi§ su§ reliquit
perturbare nititur dolositas iniquorum.«
1741 Das Auctarium wurde unter der Amtszeit des Alvisus verfasst.
1742 C. Giordanengo (Hg.), Le registre de Lambert, E 110, S. 478: »[...] Cognovi enim, donno Drogone
ex parte vestra mihi referente, fratres Aquicinenses me in abbatem sibi herum elegisse et, ut super tali
negotio eos juvaretis paternitatem vestram consuluisse, vos vero hoc non posse, quia jam nec vester
monachus eram nec in vestra dioecesi commorabar, respondisse, nunc autem domnum Drogonem ut
quaenam esset voluntas nostra super hac re dilligenter sciscitaretur misisse. Unde vestrae sanctae cha-
liegt darüber hinaus in der Ehe, die der neue Kastellan von Cambrai, Hugo II., mit
Hildiard, der Tochter Gossuins I. von Mons und dessen Ehefrau Ermengard, einge-
gangen war. Nach Gerzaguet bestand für das Kloster von Anchin nun die Gefahr,
dass die Kinder der Stifter die Schenkungen ihrer Eltern wieder Zurücknahmen, um
ihre Macht und Herrschaft vor allem gegenüber dem Bischof von Cambrai auszu-
bauen.1738 Die Anfeindungen gegenüber Abt Robert dürften also in erster Linie vom
neuen Kastellan von Cambrai ausgegangen sein. Interessanterweise scheint dieser
äußere Konflikt, der die Besitzungen des Klosters betraf, in das Innere der Gemein-
schaft gestrahlt zu haben. Gerzaguet nimmt an, dass es in der Gemeinschaft eine
nicht unbedeutende Gruppe von Mönchen gab, die die Interessen der Familien von
Oisy und Mons vertraten.1739
Abt Robert konnte dagegen mit der Unterstützung Odos rechnen, des Bischofs
von Cambrai, der, wie bereits gezeigt wurde, enge Beziehungen zu Anchin unter-
hielt. In einer Urkunde von Anfang 1111 spielt Odo auf dessen schweres Los an und
versucht ihn zu ermutigen: »Du siehst, dass durch die übergroße Ungerechtigkeit
die Nächstenliebe vieler erkaltet, du siehst, dass die Verschlagenheit der Ungerech-
ten den Frieden stören kann, den Christus, als er zu seinem Vater zurückkehrte,
seiner Kirche hinterließ.«1740 Die Anfeindungen und der Widerstand innerhalb und
außerhalb des Klosters müssen letztlich aber so groß gewesen sein, dass Robert sein
Amt selbst niederlegte.
Die Anspielung des Audarium, Robert könnte durch Simonie in sein Amt ge-
kommen sein, ist äußerst fraglich. Fest steht, dass der unausgesprochene Verdacht
auf Simonie Eingang in das Gedächtnis der Gemeinschaft gefunden hat, wodurch
ein negatives Andenken an Abt Robert erhalten wurde, was nicht zuletzt den Ab-
batiat seines Nachfolgers weitaus glänzender erscheinen ließ.1741
Die nun folgende Wahl der Brüder fiel erneut auf Gelduin, der inzwischen in
Saint-Bertin lebte. Ein Brief desselben an Bischof Lambert von Arras berichtet von
eben dieser zweiten Wahl, die der ehemalige Abt von Anchin allerdings weit von
sich wies.1742 Neben seinem Wunsch nach einem frommen Leben dürfte die feind-
1738 J. P. Gerzaguet, L’abbaye d’Anchin, S. 81-82.
1739 J. P. Gerzaguet, L’abbaye d’Anchin, S. 82. Zu diesem Phänomen vgl. S. Patzold, Konflikte im Kloster.
1740 J. P. Gerzaguet, Les chartes de l’abbaye d’Anchin, D 26, S. 122: »Vides quod, abundante iniquitate
refrigescit caritas multorum, vides quod pacem quam Christus ad patrem rediens §cclesi§ su§ reliquit
perturbare nititur dolositas iniquorum.«
1741 Das Auctarium wurde unter der Amtszeit des Alvisus verfasst.
1742 C. Giordanengo (Hg.), Le registre de Lambert, E 110, S. 478: »[...] Cognovi enim, donno Drogone
ex parte vestra mihi referente, fratres Aquicinenses me in abbatem sibi herum elegisse et, ut super tali
negotio eos juvaretis paternitatem vestram consuluisse, vos vero hoc non posse, quia jam nec vester
monachus eram nec in vestra dioecesi commorabar, respondisse, nunc autem domnum Drogonem ut
quaenam esset voluntas nostra super hac re dilligenter sciscitaretur misisse. Unde vestrae sanctae cha-