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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0444
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440 | IV. Die Abtei von Anchin

des Bischofs und der Archidiakone von Arras richtete sich an Abt Lambert von
Saint-Bertin und erbat dessen Zustimmung zur Wahl.1753
Weshalb fiel nun aber die Wahl der Mönche von Anchin auf Alvisus? Der Brief
des Amand von Castello liefert hierfür wichtige Anhaltspunkte. Das Schreiben lässt
erkennen, dass Bischof Lambert von Arras wohl die treibende Kraft hinter dieser
Abtswahl war. Da er den tatkräftigen Prior von Saint-Vaast in Arras mit Sicherheit
persönlich kannte, liegt es nahe, dass er Alvisus ins Spiel brachte. Die beschriebenen
Umstände der Wahl machen aber deutlich, dass seine Kandidatur nicht unumstrit-
ten war. Grund hierfür könnte sowohl die Tatsache sein, dass er ein auswärtiger
Kandidat war, als auch die Möglichkeit, dass ihm sein Ruf als besonders stren-
ger Hüter der Disziplin vorauseilte.1754 Der Hinweis, die Gemeinschaft sei beinahe
vollständig versammelt gewesen, deutet daraufhin, dass ein Teil der Mönche die
Gemeinschaft verlassen hatte, was als eine Folge der vorausgegangenen Krise oder
als ein Zeichen des Widerstandes gegen die Kandidatur des Alvisus gewertet wer-
den kann. Wie es Alvisus schließlich gelang communi consilio zum Abt gewählt zu
werden, ist nicht bekannt.
Dass er nicht nur im Innern der Gemeinschaft Hilfe und Unterstützung benötig-
te, sondern auch von außerhalb, veranschaulichen insbesondere die Gesta abbatum
Simons von Saint-Bertin. In diesen wird über eine ganze Reihe von Klöstern berich-
tet, deren correctio von Saint-Bertin angestoßen worden war. Simon verschweigt
in diesem Zusammenhang nie, dass dies nur mit der Hilfe des Bischofs und des
Grafen gelungen war. Umso erstaunlicher ist es, dass die Wahl eines Mönchs aus
Saint-Bertin zum Abt von Anchin bei Simon nur beiläufig erwähnt wird und nicht,
wie im Falle von Auchy-les-Moines, Bergues-Saint-Winnoc, Saint-Vaast in Arras,
Sint-Pieters in Gent oder Saint-Remi in Reims, Anlass zu längeren Ausführungen
bietet. Dies verwundert umso mehr, bedenkt man, dass Anchin zur Zeit Simons
bereits eine bedeutende Rolle in der Klosterlandschaft Flanderns spielte.1755
Etwas ausführlicher ist dagegen die im 14. Jahrhundert von Johannes III. von
Ypern verfasste Chronik Saint-Bertins. Sie lässt die Wahl des Alvisus als Wunsch
confirmetis et confortetis, vel ut eum abbatem habeant secundum auctoritatem vobis a Deo donatam
instanter adjuvetis.«
1753 C. Giordanengo (Hg.), Le registre de Lambert, E 114, S. 484: »Placeat ergo vobis eum illis donare in
abbatem et nobis ad obedientiam nostrae ecclesiae absolutum reddere, ut in libertate Spiritus et illis
possit praeesse et prodesse et Deo digne ubique deservire.«
1754 Zum strengen Regiment des Alvisus während seines Abbatiates siehe unten S. 442-443. Es ist anzu-
nehmen, dass er sich bereits in Saint-Vaast durch dieses Strenge auszeichnete; vgl. dazu S. Vanderput-
ten, A Time of Great Confusion, S. 61.
1755 Simon und Alvisus haben sich mit Sicherheit gekannt. Ob das auffallende Schweigen Simons ein Zei-
chen für etwaige Spannungen zwischen ihm und Alvisus oder etwa für eine Rivalität der beiden Klöster
ist, lässt sich nur vermuten.
 
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