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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0448
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444 | IV. Die Abtei von Anchin

die Leitung der Gemeinschaft übernommen hatten.1767 Da in der Gemeinschaft von
Affligem die Existenz einer Handschrift der Consuetudines von Cluny nachgewie-
sen ist, nahm die ältere Forschung an, dass der ordo cluniacensis durch die beiden
Mönche aus Anchin vermittelt wurde.1768
Diese drei Passagen hatten zur Folge, dass die ältere Forschung davon ausging,
Anchin habe tatsächlich vor 1092 die Gewohnheiten Clunys besessen. Das Zeugnis
Hermanns, das sich auf die Zeit der 1090er Jahre bezieht und Affligem als clunia-
zensische Abtei bezeichnet, führte aber bisweilen dazu, dass man die Einführung
der Gewohnheiten Clunys in Anchin noch vor das Jahr 1086 datierte und somit in
die Zeit des ersten Abtes Alard.1769
Hallinger bemerkt hierzu: »Die Leiter des [sic] Sammelgründung kamen aus
dem Monasterium Hasnoniense, das im Jahr 1069 aus belgisch-flandrischen Krei-
sen hervorgegangen war. Diese Lage änderte sich jedoch bald grundlegend, als im
Jahr 1087 aus dem kluniazensischen Reformherd Bec in der Normandie ein Abt
nach Anchin berufen wurde. In dieser Berufung spricht sich bereits eine bestimmte
geistige Ausrichtung aus.«1770 Demnach hat Anchin gleich zu Beginn unter Alard
den »Geist von Verdun« zu spüren bekommen. Eine direkte Verbindung zu einer
»cluniazensischen« Abtei glaubte Hallinger aber erst mit Alelm gefunden zu ha-
ben.1771 Dieser stammte aus Le Bec, das, wie man lange Zeit annahm, in äußerst
engem Kontakt zu Cluny stand.1772 Da der Passage aus der Chronik von Affligem
1767 Chronicon Affligemense, c. 5, S. 409: »Quos episcopus cum mandatis suis et litteris Aquiscinctum din-
gens, obsecrat abbatem et conventum, ut quod pauperes Dei ad ipsius honorem petebant, absque retrac-
tione concederet. Alardus primus abbas eiusdem loci tune praeerat dominico gregi, qui tarn episcopali
auctoritati quam fratrum caritati obediens, sperans quoque per hanc occasionem locum qui construebatur
sibi subiciendi, cum eis priorem suum nomine Titubaldum, et alium fratrum Rodulfum dictum direxit.«
1768 Zur Edition der Consuetudines von Affligem vgl. Consuetudines Affligenienses, S. 107-199. Zu den
Gewohnheiten Affligems vgl. zudem J. P. Gerzaguet, L’abbaye d’Anchin, S. 126, der keine frappie-
renden Abhängigkeiten zwischen den Gewohnheiten von Affligem und denen Anchins feststellt. Zu
den Gewohnheiten zuletzt auch Frans J. van Droogenbroeck, De abdij van Affligem tijdens de Inves-
tituurstijd, S. 44-68. Zu den eremitischen Anfängen Affligems vgl. die große Kontroverse zwischen
Despy und Dereine: Ch. Dereine, Le probleme de la date de la fondation d’Affligem; Ders., La critique
de 1’ >Exordium Affligemense<; Ders., La spiritualite >apostolique< des premiers fondateurs d’Affligem;
Ders., Les origines eremitiques d’Affligem, S. 50-113 schenkt den Quellen aus Affligem bzgl. der ere-
mitischen Anfänge Glauben, während G. Despy, La fausse charte de fondation de l’abbaye d’Affligem;
Ders., Les benedictins en Brabant au XIE siede, S. 51-116 und A. Despy-Meyer, A propos de la fon-
dation d’Affligem, Zweifel an der Authentizität der Quellen hegt.
1769 Grund zu dieser Annahme gaben die beiden Mönche Titubaldus und Radulfus von Anchin, die man
als Vermittler der Gewohnheiten betrachtete. Vgl. dazu K. Hallinger, Gorze-Kluny, S. 476, Anm. 10
datiert den Aufenthalt der beiden Mönche aus Anchin auf das Jahr 1085 und merkt an, dass Anchin
damals wohl noch gar nicht »klunisiert« war.
1770 K. Hallinger, Gorze-Kluny, S. 474 - 475.
1771 K. Hallinger, Gorze-Kluny, S. 474, 476.
1772 So v. a. M. Heimbucher, Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche, S. 203, der Le Bec
in Bezug auf Flandern und England als »Cluny im Kleinen« bezeichnet; ebenso N. Cantor, Church,
Kingship, and Lay Investiture, S. 110.
 
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