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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0469
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5. Die zeitgenössischen Texte als Überreste der correctio | 465

5.3. Alvisus und Bernhard von Clairvaux
Zwei besonders wichtige Dokumente aus der Amtszeit des Alvisus werden in der
Historia monasterii überliefert. Es handelt sich um zwei Briefe Bernhards von
Clairvaux, wovon einer direkt und einer indirekt an Abt Alvisus von Anchin ad-
ressiert war.1851 Beide Briefe lassen sich nicht genau datieren, müssen aber vor 1131
entstanden sein.1852
Anlass zur Abfassung dieser Briefe bot ein Zwischenfall, der sich zuvor zu-
getragen hatte: Ein Mönch aus Anchin, namens Godwin, war demnach von dort
geflohen und hatte Zuflucht in der Abtei von Clairvaux gefunden. Da Bernhard ihn
in seine Gemeinschaft aufgenommen hatte, zog er den Zorn des Alvisus auf sich.
Auch wenn kein Brief aus der Feder des Alvisus erhalten ist, machen die Briefe
Bernhards deutlich, dass es einen regen Briefwechsel zwischen den beiden Äbten
gegeben haben muss und dass die Reaktion des Abtes von Anchin äußerst heftig ge-
wesen war. So hielt es Bernhard für klug und notwendig, mit der Person Gottfrieds
von Coucerf, des Abtes von Saint-Thierry, einen Vermittler in dieser Angelegenheit
einzuschalten. An ihn war der zweite überlieferte Brief adressiert. Aus diesem Brief,
der nach Sproemberg vor den ersten Brief zu datieren sei,1853 erfährt man, dass ein
weiteres heute verlorenes Schreiben an Alvisus beigefügt war.1854 Dieses sollte nach
dem Wunsch Bernhards von Gottfried an Alvisus weitergeleitet werden. Zudem
sollte der Abt von Saint-Thierry besänftigend auf Alvisus einwirken.
Der Konflikt zwischen Bernhard und Alvisus wird schließlich auf ganz anderem
Wege beigelegt. Aus dem ersten überlieferten Brief Bernhards erfährt der Leser
nämlich, dass Godwin in der Zwischenzeit verstorben war und somit der Streit um
diesen Mönche de facto ein Ende gefunden hatte. Alvisus habe seine Haltung als
Richter aufgegeben, um nun väterliche Gefühle für den verstorbenen Mitbruder zu
zeigen.1855 Bernhard bemerkt diesbezüglich: »Wo sind jetzt das finstere Wesen, die
1851 G. Waitz lässt die Texte in seiner Edition aus Historia, S. 588; Bernhard von Clairvaux, Opera, Bd. 7,
ep. 65, 66, S. 159-162.
1852 1131 ist das Datum ante quem, da Alvisus in diesem Jahr den Bischofsstuhl von Arras besteigt. Nach
A. M. Dimier, Saint-Bernard et le recrutement, S. 25 sollen die Briefe, ohne weitere Begründung, um
1127 entstanden sein.
1853 H. Sproemberg, Alvisus, S. 132, Anm. 114, was wohl auf eine Interpretation folgender Stelle zurück-
zuführen ist. Bernhard von Clairvaux, Opera, Bd. 7, ep. 66, S. 162: »Rogo ergo te, et herum rogo, ut de
regno Dei, quod est videlicet intra nos, scandalum auferas [...].« Ob in scandalum die Person Godwins
zu sehen ist oder die über dessen Tod hinaus bestehenden Verstimmungen, lässt sich nicht festmachen.
1854 Bernhard von Clairvaux, Opera, Bd. 7, ep. 66, S. 162: »Primo precor ut praesentes litteras domno
Abbati Aquicincti monasterii dirigere non graveris. Deinde ut, ad id quod portant, pro absente amico
praesens satagans, cum venerit locus.«
1855 Bernhard von Clairvaux, Opera, Bd. 7, ep. 65, S. 159: »Patrem quippe vos cognovistis, ut res exigebat,
non iudicem.«
 
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