7. Die Vita Gosuini prima | 487
Die weit kürzere Vita secunda nennt zwar ebenfalls die wichtigsten Lebenssta-
tionen Gossuins, legt den Fokus aber sehr deutlich auf seine Tugenden und seine
Begabung als Lehrer der monastischen Lebensweise. Leclercq weist darauf hin,
dass die Vita secunda eventuell ursprünglich eine Einheit mit dem in der Hand-
schrift BM, Douai, ms. 827 als Pars secunda de novitiis instruendis bezeichneten
Werk gebildet hatte. Die Vita secunda wäre demnach die pars prima eines größeren
Werkes gewesen.1956
7.1. Vorstellungen von correctio in der Vita Gosuini prima
Die correctiones von Klöstern spielen in der Vita Gosuini prima immer wieder
eine wichtige Rolle. In ihrem ersten Buch geht die Vita ausführlich auf die cor-
rectio der Klöster von Saint-Crepin und Saint-Medard in Soissons und jene von
Saint-Remi in Reims ein. Der Abtei von Anchin und besonders dem jungen Mönch
Gossuin kommt dabei eine bedeutende Rolle zu. Der Verfasser beginnt damit zu
berichten, dass zu jener Zeit zwei Klöster in Frankreich besonders im Argen lagen.
Beide hatten großen Schaden im weltlichen aber auch im spirituellen Bereich zu
beklagen.1957 Gott habe aber auf ihre jeweiligen Äbte eingewirkt und in ihnen den
Wunsch aufkommen lassen, die verlorengegangene Ordnung (prdo perditus) wieder
herzustellen (reformare). Sie wollten den Ordo befolgt wissen und zudem sicher-
stellen, dass mit dem Besitz sparsam umgegangen, Verschwendung unterbunden
und Überflüssiges beseitigt werde. Dieser Wunsch sei jedoch an der Umsetzung
gescheitert. Was die Äbte allein nicht zu schaffen vermochten, versuchten sie nun
in die Hände anderer zu legen. Sie holten daher gelehrte und eifrige Männer aus
anderen Klöstern (monasteriis Ordinatis) herbei.1958 Einer dieser Hilfesuchenden
sei der Abt von Saint-Crepin in Soissons gewesen. Er habe sich an Abt Alvisus von
Anchin gewandt und ihn gebeten, einen seiner Mönche zu schicken. Alvisus habe
1956 J. Leclercq, Deux opuscules, S. 388; vgl. zusammenfassend M. Breitenstein, De novitiis instruendis,
S. 52-55.
1957 R. Gibbon, Vita Gosuini prima, I, c. 16, S. 66: »Laborabant eo tempore, incommode duplici monasteria
Gallicana, rerum temporalium damnis, & spiritualium detriment. Vexabantur utrimque, utrobique de-
fluebant, undique vacillabant, & tanto foris amplius, quanto magis intus dissidebant: foris enim, iuxta
sapientem, titubat, quod dissident intro.«
1958 R. Gibbon, Vita Gosuini prima, I, c. 16, S. 66- 67: »Misit autem Dominus in cor Praelatorum Ordinem
reformare perditum, & informare custodiendum, exterior quoque subdere parcitati, infraenare prodi-
galitatem, superflua resecare. Sed quoniam effectus affectui succumbebat, impar erat efficacia desiderio,
& possibilitas citra voluntatem; quod solis suis non poterant, tentabant agere minibus alienis, & ad
opus tarn laudabile ex aliorum opibus duam inopiam solabantur; doctos & industrios viros colligentes
ex monasteriis Ordinatis, qui & indoctos scirent erudire, & rigidos cururarent, frangerent superbis, &
contumaces debellarent, emollirent duros, & revincerent contemptores.«
Die weit kürzere Vita secunda nennt zwar ebenfalls die wichtigsten Lebenssta-
tionen Gossuins, legt den Fokus aber sehr deutlich auf seine Tugenden und seine
Begabung als Lehrer der monastischen Lebensweise. Leclercq weist darauf hin,
dass die Vita secunda eventuell ursprünglich eine Einheit mit dem in der Hand-
schrift BM, Douai, ms. 827 als Pars secunda de novitiis instruendis bezeichneten
Werk gebildet hatte. Die Vita secunda wäre demnach die pars prima eines größeren
Werkes gewesen.1956
7.1. Vorstellungen von correctio in der Vita Gosuini prima
Die correctiones von Klöstern spielen in der Vita Gosuini prima immer wieder
eine wichtige Rolle. In ihrem ersten Buch geht die Vita ausführlich auf die cor-
rectio der Klöster von Saint-Crepin und Saint-Medard in Soissons und jene von
Saint-Remi in Reims ein. Der Abtei von Anchin und besonders dem jungen Mönch
Gossuin kommt dabei eine bedeutende Rolle zu. Der Verfasser beginnt damit zu
berichten, dass zu jener Zeit zwei Klöster in Frankreich besonders im Argen lagen.
Beide hatten großen Schaden im weltlichen aber auch im spirituellen Bereich zu
beklagen.1957 Gott habe aber auf ihre jeweiligen Äbte eingewirkt und in ihnen den
Wunsch aufkommen lassen, die verlorengegangene Ordnung (prdo perditus) wieder
herzustellen (reformare). Sie wollten den Ordo befolgt wissen und zudem sicher-
stellen, dass mit dem Besitz sparsam umgegangen, Verschwendung unterbunden
und Überflüssiges beseitigt werde. Dieser Wunsch sei jedoch an der Umsetzung
gescheitert. Was die Äbte allein nicht zu schaffen vermochten, versuchten sie nun
in die Hände anderer zu legen. Sie holten daher gelehrte und eifrige Männer aus
anderen Klöstern (monasteriis Ordinatis) herbei.1958 Einer dieser Hilfesuchenden
sei der Abt von Saint-Crepin in Soissons gewesen. Er habe sich an Abt Alvisus von
Anchin gewandt und ihn gebeten, einen seiner Mönche zu schicken. Alvisus habe
1956 J. Leclercq, Deux opuscules, S. 388; vgl. zusammenfassend M. Breitenstein, De novitiis instruendis,
S. 52-55.
1957 R. Gibbon, Vita Gosuini prima, I, c. 16, S. 66: »Laborabant eo tempore, incommode duplici monasteria
Gallicana, rerum temporalium damnis, & spiritualium detriment. Vexabantur utrimque, utrobique de-
fluebant, undique vacillabant, & tanto foris amplius, quanto magis intus dissidebant: foris enim, iuxta
sapientem, titubat, quod dissident intro.«
1958 R. Gibbon, Vita Gosuini prima, I, c. 16, S. 66- 67: »Misit autem Dominus in cor Praelatorum Ordinem
reformare perditum, & informare custodiendum, exterior quoque subdere parcitati, infraenare prodi-
galitatem, superflua resecare. Sed quoniam effectus affectui succumbebat, impar erat efficacia desiderio,
& possibilitas citra voluntatem; quod solis suis non poterant, tentabant agere minibus alienis, & ad
opus tarn laudabile ex aliorum opibus duam inopiam solabantur; doctos & industrios viros colligentes
ex monasteriis Ordinatis, qui & indoctos scirent erudire, & rigidos cururarent, frangerent superbis, &
contumaces debellarent, emollirent duros, & revincerent contemptores.«