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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0527
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1. Das Phänomen der correctio | 523

1.2. Die correctio und ihre Erscheinungsformen
Veränderungen in der Zusammensetzung der Gemeinschaften
Die correctio einer Gemeinschaft hatte, wie die Quellen immer wieder betonen,
Auswirkungen auf deren personelle Zusammensetzung. Dies beginnt bereits
gleich zu Beginn einer correctio, da sie für gewöhnlich die Gemeinschaft in Befür-
worter und Gegner spaltete und letztere nicht selten das Kloster verließen. Wäh-
rend die zeitgenössischen Texte dies oft mit der Angst vor der nun geforderten
strengen Lebensweise begründen, darf darin, wie das Beispiel von Marchiennes
veranschaulicht, auch ein gewisses Kalkül gesehen werden, um Druck auf den
Abt auszuüben. Im Falle der gescheiterten correctio Abt Fulchards ist der Weg-
gang nahezu aller Brüder als offener und letztlich wirksamer Widerstand gegen
den Abt und seine Familie zu werten. Da Bischof Lambert Fulchards correctio
zunächst mittrug, seine Unterstützung schließlich aber vor dem Hintergrund kir-
chenpolitischer Interessen wieder entzog, wird deutlich, wie prekär und situa-
tionsabhängig ein solches Unterfangen war. Der Weggang der Brüder aus Saint-
Bertin hatte dagegen keine vergleichbaren Folgen, da die correctio von Mönchen
aus Cluny mitgetragen wurde und Abt Lambert in Bischof und Grafenhaus zwei
mächtige Unterstützer fand.
Das Ersetzen eines Abtes durch einen fähigeren Amtsinhaber und der Aus-
tausch von Mönchen waren weitere wichtige personelle Veränderungen, die im
Zusammenhang mit einer correctio stehen konnten. Während die ältere »Reform-
forschung« glaubte, klösterliche »Reform« unter anderem anhand der Herkunft
der Äbte und der von außen kommenden Mönche fassen zu können, haben die
untersuchten Beispiele ein weit differenzierteres Bild ergeben. Außer Frage steht,
dass auswärtige Mönche einer Gemeinschaft wichtige Impulse zur correctio gaben.
Dass diese Mönche aber ausschließlich mit der Einführung einer neuen Lebenswei-
se befasst waren und zudem einem bestimmten Kloster und seiner spirituellen Aus-
richtung zugeordnet werden können, ist mehr als fraglich. In den meisten Fällen
handelte es sich um kleinere Gruppen von Mönchen, die aus einer, manchmal aber
auch aus mehreren Abteien stammten, zum Teil sogar um einzelne Personen, die
mit einem spezifischen Auftrag in eine Gemeinschaft geschickt wurden. Derartige
Personen oder Gruppen von Mönchen konnten für längere Zeit in der betroffe-
nen Gemeinschaft bleiben und mehr oder weniger in diese integriert werden, oder
aber nach kürzerer Zeit bereits wieder abziehen. Sie konnten nacheinander in einer
Gemeinschaft wirken oder zeitgleich Hilfestellungen der unterschiedlichsten Art
leisten. Das Spektrum reichte dabei von der Versorgung mit den lebensnotwendigen
Dingen, der Ausstattung mit liturgischen Handschriften, der medizinischen Versor-
 
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