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3. Das gottgefällige Leben der Mönche
3.1. Die proposita in den klostereigenen Texten
Das propositum eines Klosters umfasste die spirituellen Leitideen und Ideale der
Gemeinschaft, Praktiken und Verhaltensweisen, die die Mönche für besonders gott-
gefällig erachteten. Wie Melville betont, war das Erinnern an die spirituellen Leit-
ideen ein zentraler Aspekt klösterlicher »Reform«, da damit bei den Mönchen die
notwendige Grundhaltung für ein regelkonformes Leben geschaffen werden sollte.
Während diese spirituellen Leitideen primär durch paränetische Texte, wie Florile-
gien oder Mönchsspiegel, vermittelt wurden, fanden sie auch immer wieder Eingang
in die klostereigenen historiographischen und hagiographischen Texte. Im Gegen-
satz zu den rein paränetischen Texten, die für den Leser oft auf umfassende Weise
ein sehr allgemeines und wenig spezifisches monastisches propositum formulierten,
spiegeln die historiographischen und hagiographischen Texte, die im Rahmen einer
correctio entstanden, eben jene Ideale und spirituellen Leitideen wider, die in dieser
Situation und speziell für dieses Kloster von besonderer Bedeutung und Aktualität
waren. Die erzählenden Texte sind somit ebenfalls Träger spiritueller Leitideen und
geben Einblicke in das propositum einer Gemeinschaft. Ihre didaktische Punktion
wird zum Teil, wie in Saint-Bertin, Marchiennes und Saint-Martin, direkt genannt
und lässt sich zudem auch durch exempelartige Passagen deutlich erkennen. Diese
Texte reagierten auf die bestehende Situation und ermahnten die gegenwärtige und
die künftigen Generationen zur Besserung. In vielen Texten begnügten sich die Ver-
fasser damit, eine correctio zu umschreiben, indem sie ganz pauschal bemerkten,
dass die religio, disciplina oder der ordo in der Gemeinschaft wiederhergestellt wur-
den. Diese sehr allgemeinen Begriffe, die allesamt positiv konnotiert sind, kommen
letztendlich Überbegriffen gleich, die in ganz allgemeiner Weise auf das propositum
eines gottgefälligen Lebens verweisen. In manchen Texten - wie beispielsweise dem
Patrocinium Galberts von Marchiennes - werden zwei ganz gegenläufige Modelle
eines monastischen Lebens entwickelt, die dem Leser einen besonders guten und
einen besonders schlechten Mönch vor Augen führen. Wieder andere Texte - wie
das Auctarium aus Anchin - geben nur indirekt über die Auswahl der erinnerten
Ereignisse Einblicke in das zum Zeitpunkt der Abfassung aktuelle propositum der
Gemeinschaft.
In vielen Fällen wurde besonders häufig an den Verzicht auf Eigenbesitz erin-
nert, an die Praxis der caritas in Form der Armenspeisungen, an das Einhalten der
Klausur und an das Ideal der Weltflucht. In manchen Fällen lag zudem der Fokus
3. Das gottgefällige Leben der Mönche
3.1. Die proposita in den klostereigenen Texten
Das propositum eines Klosters umfasste die spirituellen Leitideen und Ideale der
Gemeinschaft, Praktiken und Verhaltensweisen, die die Mönche für besonders gott-
gefällig erachteten. Wie Melville betont, war das Erinnern an die spirituellen Leit-
ideen ein zentraler Aspekt klösterlicher »Reform«, da damit bei den Mönchen die
notwendige Grundhaltung für ein regelkonformes Leben geschaffen werden sollte.
Während diese spirituellen Leitideen primär durch paränetische Texte, wie Florile-
gien oder Mönchsspiegel, vermittelt wurden, fanden sie auch immer wieder Eingang
in die klostereigenen historiographischen und hagiographischen Texte. Im Gegen-
satz zu den rein paränetischen Texten, die für den Leser oft auf umfassende Weise
ein sehr allgemeines und wenig spezifisches monastisches propositum formulierten,
spiegeln die historiographischen und hagiographischen Texte, die im Rahmen einer
correctio entstanden, eben jene Ideale und spirituellen Leitideen wider, die in dieser
Situation und speziell für dieses Kloster von besonderer Bedeutung und Aktualität
waren. Die erzählenden Texte sind somit ebenfalls Träger spiritueller Leitideen und
geben Einblicke in das propositum einer Gemeinschaft. Ihre didaktische Punktion
wird zum Teil, wie in Saint-Bertin, Marchiennes und Saint-Martin, direkt genannt
und lässt sich zudem auch durch exempelartige Passagen deutlich erkennen. Diese
Texte reagierten auf die bestehende Situation und ermahnten die gegenwärtige und
die künftigen Generationen zur Besserung. In vielen Texten begnügten sich die Ver-
fasser damit, eine correctio zu umschreiben, indem sie ganz pauschal bemerkten,
dass die religio, disciplina oder der ordo in der Gemeinschaft wiederhergestellt wur-
den. Diese sehr allgemeinen Begriffe, die allesamt positiv konnotiert sind, kommen
letztendlich Überbegriffen gleich, die in ganz allgemeiner Weise auf das propositum
eines gottgefälligen Lebens verweisen. In manchen Texten - wie beispielsweise dem
Patrocinium Galberts von Marchiennes - werden zwei ganz gegenläufige Modelle
eines monastischen Lebens entwickelt, die dem Leser einen besonders guten und
einen besonders schlechten Mönch vor Augen führen. Wieder andere Texte - wie
das Auctarium aus Anchin - geben nur indirekt über die Auswahl der erinnerten
Ereignisse Einblicke in das zum Zeitpunkt der Abfassung aktuelle propositum der
Gemeinschaft.
In vielen Fällen wurde besonders häufig an den Verzicht auf Eigenbesitz erin-
nert, an die Praxis der caritas in Form der Armenspeisungen, an das Einhalten der
Klausur und an das Ideal der Weltflucht. In manchen Fällen lag zudem der Fokus