542 | Schlussfolgerungen
von Tournai, der über die verschiedenen proposita der ersten Generation des Mar-
tinsklosters berichtet, bewahrt in seiner Darstellung eine gewisse Offenheit, die
der Spiritualität und den Interessen der unterschiedlichen Mönche und Gruppen
in der Gemeinschaft in hohem Maße Rechnung trug. Mit dem strengen Leben
unter Abt Odo konnte sich jeder identifizieren, so dass seine Person als wichtige
Integrationsfigur fungierte.
Der Fall des Liber de restauratione ist allerdings auch in anderer Hinsicht inter-
essant, stammte er doch eben nicht aus der Hand jener, die die correctio des Klosters
maßgeblich vorangetrieben hatten. Im Gegenteil, Hermann musste offensichtlich
nach einem schwierigen Abbatiat dem zelus religionis der abbates comproviniciales
weichen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Hermann die ab 1136 betriebene correctio
seines Klosters nicht begrüßte und unterstützte. Eben hiervon zeugt seine Chronik,
die stark identitätsstiftende Züge aufweist und vordergründig auf Integration ab-
zielte. Betrachtet man dieses Werk aber etwas genauer, wird deutlich, dass mit dem
Erinnern an die Person Odos von Tournai und das strenge klösterliche Leben von
einst auch eine gewisse Abgrenzung nach außen hin betrieben wurde, da Hermann
dadurch letztlich die Eigenständigkeit seiner Abtei zum Ausdruck brachte. Ganz
ähnlich verhält es sich in Marchiennes, wo Galberts Werke sowohl auf Integration
als auch auf Differenz abzielten. Indem er an die Hilfe der Mönche von Anchin er-
innerte, versuchte Galbert die in Marchiennes lebenden Mönche des Nachbarklos-
ters in die Gemeinschaft zu integrieren. Äußerte er Kritik an diesen Mönchen und
betonte er den Dienst an der heiligen Rictrud, bezweckte er damit, seine Gemein-
schaft nach außen hin vom Einfluss Anchins abzugrenzen. Besonders augenfällig
ist es, dass Texte, wie Simons Gesta, Hermanns Liber de restauratione und Galberts
Werke, die deutliche Anzeichen für eine Abgrenzung zu anderen Gemeinschaften
hin aufweisen, erst einige Zeit nach der begonnenen correctio entstanden waren.
Galt es zu Beginn einer correctio vermehrt integrierend zu wirken, um einen Erfolg
zu erzielen, überwog im Rückblick eher der Wunsch nach einem selbstbestimmten
gemeinschaftlichen Leben und das Bedürfnis nach Eigenständigkeit.
4.2. Im Spannungsfeld zwischen kollektiver und korporativer Identität
Das Beispiel von Saint-Bertin führt das Spannungsverhältnis zwischen kollektiver
und korporativer Identität besonders deutlich vor Augen. Die seit 1101 in Sithiu
lebenden Cluniazenser waren ein sichtbares Zeichen dafür, dass die Gemeinschaft
von Saint-Bertin Anteil an der korporativen Identität Clunys hatte. Letztere fand
ihren Ausdruck aber nicht nur in jenen Mönchen, die die Profess in Cluny abgelegt
hatten, sondern auch im ordo cluniacensis und der rechtlichen Abhängigkeit der
von Tournai, der über die verschiedenen proposita der ersten Generation des Mar-
tinsklosters berichtet, bewahrt in seiner Darstellung eine gewisse Offenheit, die
der Spiritualität und den Interessen der unterschiedlichen Mönche und Gruppen
in der Gemeinschaft in hohem Maße Rechnung trug. Mit dem strengen Leben
unter Abt Odo konnte sich jeder identifizieren, so dass seine Person als wichtige
Integrationsfigur fungierte.
Der Fall des Liber de restauratione ist allerdings auch in anderer Hinsicht inter-
essant, stammte er doch eben nicht aus der Hand jener, die die correctio des Klosters
maßgeblich vorangetrieben hatten. Im Gegenteil, Hermann musste offensichtlich
nach einem schwierigen Abbatiat dem zelus religionis der abbates comproviniciales
weichen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Hermann die ab 1136 betriebene correctio
seines Klosters nicht begrüßte und unterstützte. Eben hiervon zeugt seine Chronik,
die stark identitätsstiftende Züge aufweist und vordergründig auf Integration ab-
zielte. Betrachtet man dieses Werk aber etwas genauer, wird deutlich, dass mit dem
Erinnern an die Person Odos von Tournai und das strenge klösterliche Leben von
einst auch eine gewisse Abgrenzung nach außen hin betrieben wurde, da Hermann
dadurch letztlich die Eigenständigkeit seiner Abtei zum Ausdruck brachte. Ganz
ähnlich verhält es sich in Marchiennes, wo Galberts Werke sowohl auf Integration
als auch auf Differenz abzielten. Indem er an die Hilfe der Mönche von Anchin er-
innerte, versuchte Galbert die in Marchiennes lebenden Mönche des Nachbarklos-
ters in die Gemeinschaft zu integrieren. Äußerte er Kritik an diesen Mönchen und
betonte er den Dienst an der heiligen Rictrud, bezweckte er damit, seine Gemein-
schaft nach außen hin vom Einfluss Anchins abzugrenzen. Besonders augenfällig
ist es, dass Texte, wie Simons Gesta, Hermanns Liber de restauratione und Galberts
Werke, die deutliche Anzeichen für eine Abgrenzung zu anderen Gemeinschaften
hin aufweisen, erst einige Zeit nach der begonnenen correctio entstanden waren.
Galt es zu Beginn einer correctio vermehrt integrierend zu wirken, um einen Erfolg
zu erzielen, überwog im Rückblick eher der Wunsch nach einem selbstbestimmten
gemeinschaftlichen Leben und das Bedürfnis nach Eigenständigkeit.
4.2. Im Spannungsfeld zwischen kollektiver und korporativer Identität
Das Beispiel von Saint-Bertin führt das Spannungsverhältnis zwischen kollektiver
und korporativer Identität besonders deutlich vor Augen. Die seit 1101 in Sithiu
lebenden Cluniazenser waren ein sichtbares Zeichen dafür, dass die Gemeinschaft
von Saint-Bertin Anteil an der korporativen Identität Clunys hatte. Letztere fand
ihren Ausdruck aber nicht nur in jenen Mönchen, die die Profess in Cluny abgelegt
hatten, sondern auch im ordo cluniacensis und der rechtlichen Abhängigkeit der