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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0547
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4. Correctio und Identität | 543

in der ecclesia cluniacensis miteinander verbundenen Klöster.2120 Mit der correctio
Saint-Bertins ab 1101 sollte in der Gemeinschaft somit sowohl eine kollektive als
auch eine korporative Identität konstruiert werden. Eben dies misslang und fand
seinen Ausdruck in dem dreißig Jahre währenden Konflikt zwischen Sithiu und
dem Klosterverband von Cluny, der sich an einem der Träger korporativer Identi-
tät, nämlich der rechtlichen Abhängigkeit, entzündete. Simons zweites und drittes
Buch der Gesta entstanden im unmittelbaren Eindruck der wiedererlangten Freiheit
des Klosters und dienten unmissverständlich dazu, die eigene Gemeinschaft nach
außen hin von Cluny und seinem Klosterverband abzugrenzen. Da der ordo clunia-
censis nicht zum Gegenstand des Konflikts wurde, ist er in Saint-Bertin weniger als
Zeichen für die Ansprüche Clunys und Träger der cluniazensischen Identität zu
werten, sondern als ein Träger der kollektiven Identität Sithius.
Die bereits erwähnten Bestrebungen in Saint-Martin und Marchiennes, eine
klösterliche Identität zu konstruieren, die diese Gemeinschaften auf subtile Wei-
se von jenen Klöstern abgrenzte, die an deren correctiones großen Anteil hatten,
richteten sich zugleich auch gegen die Bestrebungen der Generalkapitel der 1130er
Jahre, das Mönchtum zu vereinheitlichen und zu kontrollieren. Die Generalkapitel
selbst fanden vor allem in ihren jährlichen Treffen, der Gebetsverbrüderung und in
der gemeinsam beschlossenen und verbreiteten Lebensweise Träger einer korpora-
tiven Identität. Alle vier untersuchten Abteien lassen sich mit diesem zelus religionis
der 1130er Jahre in Verbindung bringen. In Anchin könnte die Person Aiberts von
Crespin als Integrationsfigur einer derartigen korporativen Identität gedient haben.
Mit Aibert, der für die asketischen Ideale stand, die auch von den Generalkapiteln
besonders hervorgehoben wurden, konnte sich nicht nur jeder einzelne Mönch aus
Anchin identifizieren, sondern auch die gesamte Gemeinschaft. Letztendlich gelang
es den abbates comprovinciales jedoch nicht, die an diesem Vorhaben beteiligten
Abteien dauerhaft zu integrieren, was sicherlich mit zum Scheitern des Unterneh-
mens führte.
4.3. Die Selbstbezeichnung der Klöster
Ein wichtiger Aspekt bei der Beschäftigung mit der kollektiven Identität einer Ge-
meinschaft ist die Frage danach, mit welchen Größen und Autoritäten der Kloster-
landschaft sich eine Gemeinschaft in Bezug setzte. In Saint-Bertin war dies Cluny,
an das allerdings nur erinnert wurde, um sich von der großen burgundischen Abtei

2120 J. Wollasch, Mönchtum zwischen Kirche und Welt, S. 155.
 
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