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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0548
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544 | Schlussfolgerungen

und ihrem Verband abzugrenzen. Der einzige monastische Autor der Grafschaft
Flandern, der seine Gemeinschaft klar und deutlich mit dem Namen Clunys in
Verbindung brachte, ist Hermann von Tournai. In den übrigen Gemeinschaften, in
denen die Forschung den ordo cluniacensis nachgewiesen oder vermutet hat, spielte
der Name Clunys für die kollektive Identität keine Rolle. In Saint-Martin wird er
dagegen als eine Art Gütezeichen verwendet, das die dortige Lebensweise aufwer-
ten sollte. Für Hermann und seine Gemeinschaft war der Rekurs auf den Namen
Clunys umso wichtiger, als sich das Martinskloster in einer schweren Krise befand
und sich innerhalb der Klosterlandschaft behaupten musste. Hermanns Hinweis
auf Citeaux und Premontre unterstreicht eben dies: In einer Zeit, in der die Orden
eine immer wichtigere Rolle spielten, war es äußerst ratsam, die kollektive Identität
mit einem dieser großen Namen in Verbindung zu bringen. Hermann wählte den
Namen Clunys, dessen Ordo auch mit großer Wahrscheinlichkeit in irgendeiner
Form in der Gemeinschaft zur Anwendung gekommen war. Indem er aber hypo-
thetisch zudem noch auf die strengen Lebensweisen von Citeaux und Premontre
verwies, die nicht nur wie Cluny der Inbegriff religiöser Strenge waren, sondern
auch mit denselben allgemeinen Begriffen umschrieben wurden, wird deutlich, dass
diese großen Namen für Hermann letztlich austauschbar waren. Auch wenn sein
Vorzug eindeutig Norbert gilt, gibt er zu erkennen, dass Citeaux und Cluny nahezu
gleichwertige Größen waren.
4.4. Kollektive Identität und das klösterliche Umfeld
Die Konstruktion klösterlicher Identität zielte nicht ausschließlich auf die Mönchs-
gemeinschaft ab, sondern gleichermaßen, wie Zwanzig zeigen konnte, auf ihr so-
ziales Umfeld.2121 Die Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und ihren Förde-
rern, seien es Stifterfamilien oder Bischöfe und Grafen, ihren Dienstleute und nicht
zuletzt den Hörigen und Gläubigen der Gegend waren wichtiger Bestandteil der
kollektiven Identität. Vor allem die große Zahl der untersuchten Konflikte zwi-
schen dem Kloster und seinen Dienstleuten lassen erkennen, dass eben in diesen
Situationen von beiden Seiten immer wieder die Frage nach dem »Wer sind wir?«
gestellt wurde und dies besonders in Zeiten der correctio, wenn es galt, Krisen zu
überwinden. Die Einigungen und Kompromisse, die letztlich gefunden wurden,
waren somit in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen Ausdruck einer kol-
lektiven Identität, die vor allem integrierend wirken sollte.

2121 Ch. Zwanzig, Gründungsmythen.
 
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