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Ritualbeschreibungen und Gebete III

sichtlich seines Wirkens als Herrscher und der treuen Erfüllung
seiner religiösen Pflichten. In diesem Zusammenhang ist Text
Nr. 2 von besonderem Interesse. Dieses Gebet, mit dem sich Sal-
manassar II. an die Göttin Istar wendet, stimmt in den erhalte-
nen Passagen wortgetreu mit einem Istar-Gebet seines Vaters.
Assumasirpal I.. überein. Lediglich der Name des Königs wurde
ersetzt.6 Ganz offensichtlich war der Text generationenübergrei-
fend von Bedeutung und ist damit weniger ein Dokument in-
dividueller Frömmigkeit in der Hinwendung zu Istar. sondern
reflektiert vielmehr einen zentralen Aspekt der mittelassyrischen
Königsideologie. Die von W. Meinhold geäußerte Vermutung,
das Gebet dürfe im Rahmen einer größeren Zeremonie seinen
Platz gehabt haben und auf ..ein Thronjubiläum, vielleicht im
Rahmen eines aHZzi-Festes“,7 Bezug nehmen, erfährt dadurch
Unterstützung. Möglicherweise darf auch Text Nr. 1. ein Gebet
Samsi-Adads IV. also des Großvaters Salmanassars. in einem
vergleichbaren Kontext verortet werden.
Die Göttin, an die sich Samsi-Adad V. in Text Nr. 4 wendet,
ist nicht namentlich genannt. Das Epitheton ..barmherzige Ärz-
tin" (asätu rememtu). dessen Lesung freilich nicht ganz sicher
ist. deutet auf die Göttin Gula hin. Diese steht in einem ande-
ren Fall (Text Nr. 6) zweifellos im Mittelpunkt. Hier fehlt der
Königsname in den erhaltenen Passagen. Die Erwähnung eines
..Thrones der Herrschaft” (küsst belütv. Vs. II 15’) durch den in
der ersten Person sprechenden Beter lässt aber an der Identifizie-
rung des Textes als Königsgebet kaum zweifeln. Der Anlass für
die Abfassung war hier wohl persönliches Ungemach in Form
von Krankheit, und Gula wird in ihrer Eigenschaft als göttliche
Heilerin angesprochen.
Die Königsgebete dieses Bandes repräsentieren insgesamt
typische Vertreter ihrer jeweiligen Epoche. Die mittelassyri-
schen Gebete sind erheblich umfangreicher als diejenigen der
neuassyrischen Zeit. Sie weisen in der Regel eine Gliederung in
Abschnitte auf. die durch einfache horizontale Linien voneinan-
der getrennt sind. Demgegenüber finden sich bei den späteren
Stücken, die teilweise auch querformatig sind, nur ausnahms-
weise Trennlinien. Typisch für neuassyrische Gebete ist eine
einfache Endlinie, der ein größerer Leerraum folgt (Text Nr. 4).
Die beiden möglicherweise ursprünglich zusammengehö-
rigen Texte Nr. 33 und 34 gehören zum Gerne der „Liebesly-
rik“. Das Fragment VAT 10825 wurde bereits von E. Frahm in
KAL 3 (Historische und historisch-literarische Texte. Wiesbaden
2009) publiziert.8 9 Aus dem Anschlussstück VAT 10597 geht her-
vor. dass die „Tochter Assurs“ nicht mit dem assyrischen König
Zwiesprache hält, sondern mit einer männlichen Gottheit, denn
hier ist das Epitheton „Herr der Könige“ (bei sarräiüy mit Got-
te sdeterminativ geschrieben.
Während Assur vor der mittelassyrischen Zeit ohne Familie
gedacht wird, gilt im Zuge der Gleichsetzung mit Enlil die Göt-
tin Ninlil als Gemahlin des Assur und Seru’a als seine Tochter.10
Diese ist also wahrscheinlich die weibliche Protagonistin dieses
..Liebesduetts“. Ein Ehemann oder Geliebter der Seru’a ist nicht
bekannt.11 Es sollte also nicht völlig ausgeschlossen werden.

6 Siehe W. Meinhold. AOAT 367. 273-283 (T 2).
7 Ebd.. 273 (s. auch S. 57).
8 E. Frahm. Historische und historisch-literarische Texte. 143ff. VAT 10825 ist
dort fälschlicherweise als VAT 10404 publiziert.
9 Siehe hierzu J.-M. Seux. Epithetes royales. 56.
10 Erst ab Tiglatpileser III. erhält Sem a den Status einer Zweitfrau neben Mul-
lissu (siehe hierzu W. Meinhold. Die Familie des Gottes Assur. 146).
11 Vgl. M. Krebemik. RIA 12. 399f.

dass es der Gott Assur selbst ist. der hier einen Dialog mit seiner
Tochter führt. Dazu würde auch die Erwähnung von „deiner Va-
terschaft“ (abbütika) in Vs. II 5 passen.
Die Texte Nr. 35-50 sind der „Beschwörungskunst“
(äsipütu) gewidmet. Den Anfang bilden zwei Fragmente, die
Abschnitte aus der II. und III. Kolumne einer bereits durch meh-
rere Exemplare aus Ninive bekannten Beschwörung enthalten,
in der die Wirkmächtigkeit des Gottes Marduk gegen Dämonen
verschiedenster Art thematisiert wird.
Die Texte Nr. 36-37 dokumentieren das Ergebnis von Text-
zusammenschlüssen bisher unpublizierter Fragmente mit je ei-
nem größeren Bruchstück mit Beschwörungen, die bereits von
B. Böck innerhalb der Sammlung Mussii ’n als Vertreter der Ta-
feln IVbzw. VIII ediert worden waren.12 Vor allem im Falle von
Text Nr. 36 ergeben sich durch die erneute sorgfältige Beschäf-
tigung mit dem bereits länger bekannten Textteil eine Reihe ver-
besserter Lesungen gegenüber der früheren Bearbeitung.
Unter Nr. 38-40 finden sich mittelassyrische Vertreter der
Serien Maqlü und Surpii. Sie entsprechen der späteren kanoni-
schen Fassung weitgehend. Text Nr. 38 weist aber etwa sprach-
lich noch vomeuassyrische Merkmale auf. während Text Nr. 39
innerhalb der Reihung der angerufenen Gottheiten eine interes-
sante Variante bietet, indem anstelle von Ba’u/Baba die Gottheit
Labünu erscheint, die wohl als vergöttlichter Kultgegenstand
verstanden werden darf.
Hervorzuheben ist ferner Text Nr. 50. eine Kultmittelbe-
schwörung. die das im Ritual bedeutende .sas:sa/z/-Gras zum Ge-
genstand hat. Die Beschwörung attt sassatu war grundsätzlich
schon länger bekannt. Durch das neue Fragment und ein eben-
falls in diese Edition aufgenommenes Duplikat aus dem British
Museum lassen sich aber bisher verloren geglaubte Partien des
Textes erschließen und vor allem auch der Beginn der Beschwö-
rung weitgehend rekonstruieren.
Von den beiden heilkundlichen Texten Nr. 51-52 lässt ledig-
lich der erste eine genauere Bestimmung des Behandlungsziels
der medizinischen Rezepturen erkennen. Während im ersten Teil
Leiden erwähnt werden, die mit Lähmungserscheinungen ein-
hergehen. wurden im folgenden, leider nur sehr bruchstückhaft
auf uns gekommenen Abschnitt möglicherweise Maßnahmen
gegen psychische Erkrankungen aufgezeichnet.
Unter den Ritualbeschreibungen (Texte Nr. 53-66) sei Text
Nr. 53 im Besonderen erwähnt. Dieses Fragment gehörte zu ei-
ner mittelassyrischen Fassung des ZdAu/ZM-Rituals und bietet den
bis dahin fehlenden Übergang von der II. zur III. Kolumne.11
Damit wird nicht nur bestätigt, dass der Text tatsächlich bereits
im 2. Jahrtausend entstanden ist. Die neu gewonnenen Passagen
lassen durch die Erwähnung bestimmter Toponyme sogar eine
genauere Verortung der Entstehung in die Regierungszeit des
Königs Assur-bel-kala (1073-1056 v. Chr.) zu.
Das Ritual im Assur-Tempel. das durch Text Nr. 57 mitge-
teilt wird, war bereits grundsätzlich bekannt. Der Anschluss des
Randfragments VAT 11182 führt nun insgesamt zu einem besse-
ren Verständnis des Ritualablaufs und zeigt außerdem, dass nach
rechts keine weitere Kolumne anschloss.14 Die Texte 64-66 sind
Vertreter eines Genres, das etwa durch MARV 3.16 beispielhaft
vertreten wird.15 Dabei führt man detailliert auf. welche Opferga-

12 B. Böck. Mussu’u. 147ff„ 279ff„ 291ff.
13 Siehe hierzu W. Meinhold. AOAT 367. 418.
14 Vgl. B. Menzel. ATII. T 6.
15 J. Llop. MARV3. 16.
 
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