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Fussman, Gérard ; Hinüber, Oskar von ; Höllmann, Thomas O. ; Jettmar, Karl ; Bandini, Ditte ; Bemmann, Martin [Bearb.]
Die Felsbildstation Shatial — Materialien zur Archäologie der Nordgebiete Pakistans, Band 2: Mainz, 1997

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https://doi.org/10.11588/diglit.36948#0057
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37

Nach Kern^ gibt es Labyrinthe mit drei, fünf, sieben, neun und eif Umgängen. Sie alle bezeichnet er
als Labyrinthe des kretischen Typs, da er zumindest die altweltlichen Labyrinthdarstellungen auf einen
europäischen bzw. mediterranen Ursprung zurückführt. Alle datierbaren im indischen Kulturraum gefun-
denen Labyrinthdarstellungen (z.B. Abb. 62) seien nicht vor dem 3. Jh. v. Chr. entstanden und könnten
daher auf griechischen Einfluß zurückgehen. ^
Grundsätzlich scheinen Labyrinthe schon in frühen Zeiten eine im weitesten Sinne magische Bedeutung
gehabt zu haben. Sie wurden an Stadtmauern, Hauseingängen und Türschwellen angebracht und hatten
vermutlich eine apotropäische Funktion. Auch an indischen Häusern dienen solche Zeichnungen zur Ab-
wehr u.a. von bösen Geistern.^

Abb. 61 Abb. 62 Abb. 63
Im (volkstümlichen?) Tantrismus hatten die Labyrinthe noch eine zusätzliche Eigenschaft. Als Cakravyü-
ha bzw. Abhyumani-Yantra spielten sie in der Geburtsmagie eine wesentliche Rolle.^ Erwähnenswert
scheint auch, daß in Darstellungen des Vessantara-Jätaka ein Labyrinth als Symbol für den Trummen
Berg' dient, wohin der Held der Geschichte verbannt wurde, weil er einen weißen Elefanten verschenkt
hatte. U. Scerrato hält es durchaus für möglich, daß ein Pilger in Anspielung auf dieses Jätaka das Laby-
rinth in Shatial in den Felsen ritzte.^ Dagegen spricht allerdings, daß der Trumme Berg' erst in sehr
später Zeit bildlich durch ein Labyrinth wiedergegeben wurdet Es ist zudem nicht unbedingt gesagt,
daß die beiden Labyrinthe in Shatial von indischem Einfluß zeugen, da beispielsweise auch in der prähi-
storischen Felsbildfundstelle Sajmaly-Tas (Kirgistan) ein auf einen Stein geritztes Labyrinth vorkommt
(Abb. 63).^ Andererseits ist neben dem Labyrinth auf Stein 36 ein Yantra eingeritzt, das möglicher-
weise aus derselben Zeit stammt und zu diesem in Zusammenhang stehen könnte (Tafel VHb). Nimmt
man jedoch an, daß die akjaras, die das Muster gewissermaßen erst zu einem Yantra werden lassen, spä-
ter eingeritzt wurden (s.u. Abschnitt 27), bleibt wiederum offen, ob Indien als 'Herkunftsort' beider Rit-
zungen anzusehen ist oder nicht.
Beide Labyrinthe können mit Hilfe der nebenstehenden Inschriften etwa in die erste Hälfte des ersten
nachchristlichen Jahrtausends datiert werden.



163 KERN 1983: 36
164 KERN 1983: 2011.; zu Labyrinthen in Pakistan und Umgebung ClMINO 1990: 1160-1163; DANI 1989a: Pf 55b (schon veröl-
lenthcht in SCERRATO 1983: Fig. 3). Zu einem Labyrinth aul einem Felsbiock in Ladakh SlMS-WlLLIAMS 1993: Pf 8b.
165 Zu den Labyrinthen ahgemein auch SANTARCANGELI 1967 und zu Labyrinthen an Moscheen in Nordpakistan SCERRATO
1983.
166 KERN 1983: 431.
167 SCERRATO 1983: 24.
168 Zu Labyrinthen aul Irühmittelalterlichen Holzschnitzereien DANI 1989a: 110 und ebd.: Pi. 55b (Manikyaia Baia in Darei);
SCERRATO 1985; zu Labyrinthen in Swat, Dir und Alghanistan ClMINO 1990.
169 Frau K.I. Tasbaeva hat freundlicherweise Ihr die Abbildung ein Diapositiv zur Verlügung gestellt.
 
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