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oder Missionare gekommen - die einzige andere potentiell plausible Erklärung für ihre Anwesenheit
da man in diesem Fall erwarten würde, daß die Inschriften einen direkten Bezug zu religiösen Themen
nehmen. Tatsächlich findet sich aber unter den sogdischen Inschriften keine einzige, die primär religiösen
Inhalts wäre - dies im krassen Gegensatz zu den Brähml-Inschriften und sogar zu den weit weniger zahl-
reichen baktrischen Inschriften (vgl. vapü) ßoio "Verehrung dem Buddha", 27:3). Die einzige sogdische
Inschrift, die überhaupt eine direkte Anspielung auf Religiöses enthält, ist 36:38, deren Verfasser kkf
/?yncyfk "den/die Geist(er) des heiligen Ortes Kart" um eine sichere Weiterreise bittet. Der Kontext läßt
es plausibel erscheinen, daß es sich bei dem genannten "heiligen Ort" um die Station Shatial selbst han-
deln könnte.^ Aber selbst dann lassen sich diese Worte schwerlich als Indiz dafür werten, daß Shatial
für die Sogdier einen Wallfahrtsort darstellte. Es erscheint am natürlichsten anzunehmen, daß der Schrei-
ber ein Nicht-Buddhist war, der von den ihn umgebenden buddhistischen Gravuren hinreichend beein-
druckt wurde, um die Stätte als einen von einem "Geist" oder "Geistern" bewohnten "heiligen Ort" an-
zusehen. Auf jeden Fall läßt das Wort das anderswo zur Bezeichnung lokaler Genii verwendet wird,
eher an ein Wesen denken, das in den Kategorien der sogdischen Religion betrachtet wird, als an eine
hinduistische oder buddhistische Gottheit.^
Einige wenige Gravuren von Shatial, wie die Darstellung eines Sonnengottes in sogdischem Stil^ oder
diejenige eines sogdischen Adoranten vor einem Feueraltar,^ scheinen auf die einheimischen Kulte der
sogdischen Besucher zu verweisen. Darstellungen von Stupas und andere buddhistische Gravuren sind na-
türlich weit zahlreicher, und sogdische Inschriften finden sich häufig auf denselben Steinen, aber nur in
sehr wenigen Fällen läßt sich ein Zusammenhang zwischen den Gravuren und den Inschriften vermuten.
Einen solchen Fall könnte die 'Szene 31:A darstellen, wo die Anordnung der sogdischen Inschrift, mit
einem Wort auf jeder Seite der Treppe eines Stupas, an eine bewußte Komposition denken läßt. Ande-
rerseits scheint Inschrift 53:10 jünger zu sein als die Stüpa-Zeichnung (53:44), in die sie hineingeschrieben
ist ^ Desgleichen müssen die sogdischen Inschriften 34:90-94, die sorgfältig in die vom Schöpfer der
buddhistischen 'Szene 34:A freigelassenen Flächen eingeritzt wurden, jüngeren Datums als die Zeichnung
sein. Es ist wohl möglich, daß die Verfasser solcher Inschriften den Wunsch verspürten, "sich die aus der
Durchführung dieses frommen Werkes erwachsenden Verdienste anzueignen",doch selbst dann würde
nicht notwendig daraus folgen, daß sie Buddhisten waren oder daß ihr Besuch primär religiös motiviert
war.
Zahlreiche theophore Namen, die eine Verehrung zoroastrischer und anderer iranischer Gottheiten zum
Ausdruck bringen, legen die Vermutung nahe, daß die Mehrzahl der sogdischen Reisenden, die Shatial
besuchten, ihrer traditionellen Religion anhing. Christliche Namen sind überhaupt keine gefunden wor-
den, und ein einziger wurde in sehr anfechtbarer Weise als manichäisch gedeutet.^ In 34:86 erscheint
37 Es ist nicht klar, ob den Namen des ^yu- "heiligen Ortes" oder denjenigen von dessen cy& "Geist" darstellt, siehe
SlMS-WlLLIAMS 1989: 133; 1991: 177. HUMBACII 1994: 182 gibt der ersteren Möglichkeit den Vorzug und schlägt vor, die
ursprüngliche Bedeutung des Namens sei "abgetrennter Bezirk, (militärisch:) Zitadelle, (sakral:) Tempelbezirk" gewesen.
38 Der Vorschlag, die Worte ^2y-/?iyü-"yf in den sogdischen Inschriften 34:115 und 105:8 (nach meiner Interpretation: "kam
vorgestern(?) an") könnten "als Anspielung auf b. sogd. /7?y5"y& 'Tathägata' ... verstanden werden" - so HUMBACII 1994:
181 - erscheint mir ziemlich phantastisch.
39 27:7, siehe KÖNIG oben S. 15f., § 1.7.
40 17:29 und 17:26, siehe KÖNIG oben S. llf. und 34f., § 1.5, § 9.
41 KÖNIG oben S. 31, § 5.
42 FUSSMAN 1994: 38. Die Tatsache, daß "sorgfältig vermieden wurde, die Namen über die Abbildung zu schreiben", ist kaum
ein Indiz für die Ehrerbietung des Verfassers gegenüber dem Buddhismus, wie HUYSE (1996: 325) unterstellt, da es tech-
nisch unmöglich gewesen wäre, auf einer bereits bepickten Steinoberfläche lesbar zu schreiben.
43 (31:77), was HUMBACII (1981: 203) zufolge "Diener des Buches" heißen soll.
oder Missionare gekommen - die einzige andere potentiell plausible Erklärung für ihre Anwesenheit
da man in diesem Fall erwarten würde, daß die Inschriften einen direkten Bezug zu religiösen Themen
nehmen. Tatsächlich findet sich aber unter den sogdischen Inschriften keine einzige, die primär religiösen
Inhalts wäre - dies im krassen Gegensatz zu den Brähml-Inschriften und sogar zu den weit weniger zahl-
reichen baktrischen Inschriften (vgl. vapü) ßoio "Verehrung dem Buddha", 27:3). Die einzige sogdische
Inschrift, die überhaupt eine direkte Anspielung auf Religiöses enthält, ist 36:38, deren Verfasser kkf
/?yncyfk "den/die Geist(er) des heiligen Ortes Kart" um eine sichere Weiterreise bittet. Der Kontext läßt
es plausibel erscheinen, daß es sich bei dem genannten "heiligen Ort" um die Station Shatial selbst han-
deln könnte.^ Aber selbst dann lassen sich diese Worte schwerlich als Indiz dafür werten, daß Shatial
für die Sogdier einen Wallfahrtsort darstellte. Es erscheint am natürlichsten anzunehmen, daß der Schrei-
ber ein Nicht-Buddhist war, der von den ihn umgebenden buddhistischen Gravuren hinreichend beein-
druckt wurde, um die Stätte als einen von einem "Geist" oder "Geistern" bewohnten "heiligen Ort" an-
zusehen. Auf jeden Fall läßt das Wort das anderswo zur Bezeichnung lokaler Genii verwendet wird,
eher an ein Wesen denken, das in den Kategorien der sogdischen Religion betrachtet wird, als an eine
hinduistische oder buddhistische Gottheit.^
Einige wenige Gravuren von Shatial, wie die Darstellung eines Sonnengottes in sogdischem Stil^ oder
diejenige eines sogdischen Adoranten vor einem Feueraltar,^ scheinen auf die einheimischen Kulte der
sogdischen Besucher zu verweisen. Darstellungen von Stupas und andere buddhistische Gravuren sind na-
türlich weit zahlreicher, und sogdische Inschriften finden sich häufig auf denselben Steinen, aber nur in
sehr wenigen Fällen läßt sich ein Zusammenhang zwischen den Gravuren und den Inschriften vermuten.
Einen solchen Fall könnte die 'Szene 31:A darstellen, wo die Anordnung der sogdischen Inschrift, mit
einem Wort auf jeder Seite der Treppe eines Stupas, an eine bewußte Komposition denken läßt. Ande-
rerseits scheint Inschrift 53:10 jünger zu sein als die Stüpa-Zeichnung (53:44), in die sie hineingeschrieben
ist ^ Desgleichen müssen die sogdischen Inschriften 34:90-94, die sorgfältig in die vom Schöpfer der
buddhistischen 'Szene 34:A freigelassenen Flächen eingeritzt wurden, jüngeren Datums als die Zeichnung
sein. Es ist wohl möglich, daß die Verfasser solcher Inschriften den Wunsch verspürten, "sich die aus der
Durchführung dieses frommen Werkes erwachsenden Verdienste anzueignen",doch selbst dann würde
nicht notwendig daraus folgen, daß sie Buddhisten waren oder daß ihr Besuch primär religiös motiviert
war.
Zahlreiche theophore Namen, die eine Verehrung zoroastrischer und anderer iranischer Gottheiten zum
Ausdruck bringen, legen die Vermutung nahe, daß die Mehrzahl der sogdischen Reisenden, die Shatial
besuchten, ihrer traditionellen Religion anhing. Christliche Namen sind überhaupt keine gefunden wor-
den, und ein einziger wurde in sehr anfechtbarer Weise als manichäisch gedeutet.^ In 34:86 erscheint
37 Es ist nicht klar, ob den Namen des ^yu- "heiligen Ortes" oder denjenigen von dessen cy& "Geist" darstellt, siehe
SlMS-WlLLIAMS 1989: 133; 1991: 177. HUMBACII 1994: 182 gibt der ersteren Möglichkeit den Vorzug und schlägt vor, die
ursprüngliche Bedeutung des Namens sei "abgetrennter Bezirk, (militärisch:) Zitadelle, (sakral:) Tempelbezirk" gewesen.
38 Der Vorschlag, die Worte ^2y-/?iyü-"yf in den sogdischen Inschriften 34:115 und 105:8 (nach meiner Interpretation: "kam
vorgestern(?) an") könnten "als Anspielung auf b. sogd. /7?y5"y& 'Tathägata' ... verstanden werden" - so HUMBACII 1994:
181 - erscheint mir ziemlich phantastisch.
39 27:7, siehe KÖNIG oben S. 15f., § 1.7.
40 17:29 und 17:26, siehe KÖNIG oben S. llf. und 34f., § 1.5, § 9.
41 KÖNIG oben S. 31, § 5.
42 FUSSMAN 1994: 38. Die Tatsache, daß "sorgfältig vermieden wurde, die Namen über die Abbildung zu schreiben", ist kaum
ein Indiz für die Ehrerbietung des Verfassers gegenüber dem Buddhismus, wie HUYSE (1996: 325) unterstellt, da es tech-
nisch unmöglich gewesen wäre, auf einer bereits bepickten Steinoberfläche lesbar zu schreiben.
43 (31:77), was HUMBACII (1981: 203) zufolge "Diener des Buches" heißen soll.