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sehen Hochburg Khotan, zumindest recht nahe liegen".^ Bereits Litvinsky hatte die Frage diskutiert, ob
die Sogdier aus Ostturkestan oder aus den sogdischen Kerngebieten stammten.^
Eine andere mögliche Begründung für die Anwesenheit der Sogdier in Shatial liefert J. Harmatta,^ der
die politischen Verhältnisse, nämlich die Eroberung des westlichen Teils des Kusäna-Reiches durch die
Sasaniden, dafür verantwortlich macht, daß die Sogdier mit einem Mal gezwungen waren, dieses Gebiet
zu meiden. Ihre Ausweichroute soll nun über Gilgit und den Karakorum geführt habend
N. Sims-Williams^ wiederum sieht Shatial an der unteren Spitze eines Dreiecks, das Samarkand, China
und Indien über Handelsrouten miteinander verband. Seine These stützen sowohl bestimmte Personen-
ais auch Ortsnamen bzw. deren Ableitungen in den sogdischen Inschriften, die einerseits in das sogdische
Stammland, so z.B. Näfakhs (34:103) und Tödh (31:74, 75), andererseits nach Ostturkestan, z.B. Taskur-
gan (36:38), Kuca (17:5) und China (39:66) weisen. Da viele der Orte, auf die manche der in den sogdi-
schen Inschriften vorkommenden Personennamen verweisen, auf die Umgebung von Samarkand deuten,
könnte dort das Zentrum der Aktivitäten der sogdischen Kaufleute gewesen sein. Daß diese als Pilger
oder Missionare nach Shatial gekommen sein sollen, hält Sims-Williams für eher unwahrscheinlich.
G. Fussman vertritt in seinem Beitragt eine in wesentlichen Punkten von den genannten Hypothesen
abweichende Interpretation des Felsbildkomplexes. Für ihn war Shatial kein von einem Fort bewachter
Handelsknotenpunkt, zu dem Händler aus dem Norden (Sogdier) und dem Süden (Inder) zusammentra-
fen, sondern in erster Linie ein Sammelplatz für Pilger. Buddhisten und Sogdier hätten sich hier getrof-
fen, um in größeren Gruppen zu einem in der Nähe (vielleicht im Darel-Tal) gelegenen buddhistischen
Heiligtum zu pilgern. Obgleich die Mehrzahl der Sogdier vermutlich keine Buddhisten gewesen seien,
hält er es für möglich, daß sie es trotzdem "nützlich"^ gefunden haben könnten, einem heiligen Ort Eh-
re zu erweisen. Da unter den Gravuren die Stüpa-Darstellungen dominierten, sei Shatial als buddhistische
Stätte einzustufen.
Die Felsbildstation Shatial, wie auch das gesamte Industal, sei in erster Linie von indischer Kunst und
Kultur beeinflußt. Entsprechend starke Beziehungen zu Zentralasien seien nicht nachzuweisen. Er vermu-
tet, zumindest manche der Sogdier seien nicht von Norden, d.h. aus dem sogdischen Stammland, über das
Darel-Tal nach Shatial gereist, sondern vielmehr aus Kaschmir oder Ladakh kommend durch das Darel-
Tal nach Sogdien oder ins Tarimbecken gezogen.
Zwischen dem Ruinenfelsen und der Felsbildstation besteht für ihn kein Zusammenhang, da er sie nicht
in den gleichen Zeitraum datiert und die Beschaffenheit der Ruinen zudem seiner Ansicht nach weder
für eine Festung noch für eine Stupa- bzw. Klosteranlage spräche.^
Soweit bis heute bekannt, sind die sogdischen Inschriften in Nordpakistan, von einigen wenigen Beispie-
len in Hunza-Haldeikish abgesehen, auf das Industal beschränkt. Größere Konzentrationen lassen sich
neben Shatial (565 Stück) nur in Oshibat (26) und in Dadam Das (56) beobachten. In wenigstens zehn
Fällen steht fest, daß ein und dieselbe Person sowohl in Shatial als auch in Oshibat (z.B. 15:1), Khanbari
II (z.B. 31:97) oder Dadam Das (z.B. 34:85) gewesen ist. Ein Sogdier (36:72) hat zudem nicht nur Dadam
18 MODE, M. 1991: 46.
19 LITVINSKY 1989: 30ff.
20 HARMATTA 1994: 439.
21 Hierzu auch JETTMAR oben S. 90.
22 SlMS-WlLLlAMS 1996: 5511. und vor ailem oben S. 62-72.
23 Oben S. 73-84.
24 Oben S. 83.
25 Oben S. 81.
sehen Hochburg Khotan, zumindest recht nahe liegen".^ Bereits Litvinsky hatte die Frage diskutiert, ob
die Sogdier aus Ostturkestan oder aus den sogdischen Kerngebieten stammten.^
Eine andere mögliche Begründung für die Anwesenheit der Sogdier in Shatial liefert J. Harmatta,^ der
die politischen Verhältnisse, nämlich die Eroberung des westlichen Teils des Kusäna-Reiches durch die
Sasaniden, dafür verantwortlich macht, daß die Sogdier mit einem Mal gezwungen waren, dieses Gebiet
zu meiden. Ihre Ausweichroute soll nun über Gilgit und den Karakorum geführt habend
N. Sims-Williams^ wiederum sieht Shatial an der unteren Spitze eines Dreiecks, das Samarkand, China
und Indien über Handelsrouten miteinander verband. Seine These stützen sowohl bestimmte Personen-
ais auch Ortsnamen bzw. deren Ableitungen in den sogdischen Inschriften, die einerseits in das sogdische
Stammland, so z.B. Näfakhs (34:103) und Tödh (31:74, 75), andererseits nach Ostturkestan, z.B. Taskur-
gan (36:38), Kuca (17:5) und China (39:66) weisen. Da viele der Orte, auf die manche der in den sogdi-
schen Inschriften vorkommenden Personennamen verweisen, auf die Umgebung von Samarkand deuten,
könnte dort das Zentrum der Aktivitäten der sogdischen Kaufleute gewesen sein. Daß diese als Pilger
oder Missionare nach Shatial gekommen sein sollen, hält Sims-Williams für eher unwahrscheinlich.
G. Fussman vertritt in seinem Beitragt eine in wesentlichen Punkten von den genannten Hypothesen
abweichende Interpretation des Felsbildkomplexes. Für ihn war Shatial kein von einem Fort bewachter
Handelsknotenpunkt, zu dem Händler aus dem Norden (Sogdier) und dem Süden (Inder) zusammentra-
fen, sondern in erster Linie ein Sammelplatz für Pilger. Buddhisten und Sogdier hätten sich hier getrof-
fen, um in größeren Gruppen zu einem in der Nähe (vielleicht im Darel-Tal) gelegenen buddhistischen
Heiligtum zu pilgern. Obgleich die Mehrzahl der Sogdier vermutlich keine Buddhisten gewesen seien,
hält er es für möglich, daß sie es trotzdem "nützlich"^ gefunden haben könnten, einem heiligen Ort Eh-
re zu erweisen. Da unter den Gravuren die Stüpa-Darstellungen dominierten, sei Shatial als buddhistische
Stätte einzustufen.
Die Felsbildstation Shatial, wie auch das gesamte Industal, sei in erster Linie von indischer Kunst und
Kultur beeinflußt. Entsprechend starke Beziehungen zu Zentralasien seien nicht nachzuweisen. Er vermu-
tet, zumindest manche der Sogdier seien nicht von Norden, d.h. aus dem sogdischen Stammland, über das
Darel-Tal nach Shatial gereist, sondern vielmehr aus Kaschmir oder Ladakh kommend durch das Darel-
Tal nach Sogdien oder ins Tarimbecken gezogen.
Zwischen dem Ruinenfelsen und der Felsbildstation besteht für ihn kein Zusammenhang, da er sie nicht
in den gleichen Zeitraum datiert und die Beschaffenheit der Ruinen zudem seiner Ansicht nach weder
für eine Festung noch für eine Stupa- bzw. Klosteranlage spräche.^
Soweit bis heute bekannt, sind die sogdischen Inschriften in Nordpakistan, von einigen wenigen Beispie-
len in Hunza-Haldeikish abgesehen, auf das Industal beschränkt. Größere Konzentrationen lassen sich
neben Shatial (565 Stück) nur in Oshibat (26) und in Dadam Das (56) beobachten. In wenigstens zehn
Fällen steht fest, daß ein und dieselbe Person sowohl in Shatial als auch in Oshibat (z.B. 15:1), Khanbari
II (z.B. 31:97) oder Dadam Das (z.B. 34:85) gewesen ist. Ein Sogdier (36:72) hat zudem nicht nur Dadam
18 MODE, M. 1991: 46.
19 LITVINSKY 1989: 30ff.
20 HARMATTA 1994: 439.
21 Hierzu auch JETTMAR oben S. 90.
22 SlMS-WlLLlAMS 1996: 5511. und vor ailem oben S. 62-72.
23 Oben S. 73-84.
24 Oben S. 83.
25 Oben S. 81.