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KRITERIEN ZUR DATIERUNG DER FEESBILDER UND INSCHRIFTEN58
Bei den Felsbildern im Oberen Industal sind bislang noch keine naturwissenschaftlichen Datierungsme-
thoden angewendet worden, die genaueren Aufschluß über das Alter der Petroglyphen geben könnten.
Da die Felsbilder von Hodar m.W. auch in keiner historischen Quelle erwähnt werden, wodurch vielleicht
ein Datierungshinweis gegeben wäre, bilden die Inschriften die einzigen verhältnismäßig sicheren Anhalts-
punkte für eine zeitliche Einordnung.
Die ältesten Inschriften am Oberen Indus sind in Kharosthi geschrieben. Diese aus dem aramäischen Al-
phabet abgeleitete Schrift wurde seit Asoka im heutigen Nordwesten Pakistans und im Süden Afghani-
stans verwendet. Im wesentlichen bediente man sich ihrer zum Schreiben der Gändhärl, der mittelindoari-
schen Sprache von Gandhära. Nach der Paläographie zu schließen könnte die einzige Kharosthi-Inschrift
(70:3) in Hodar, Fussman zufolge, allerdings ebenso im 2. wie erst im 5. Jh. n. Chr. angefertigt worden
sein. Eine vereinzelte baktrische Inschrift (48:2) könnte vor den meisten Brähmi-Inschriften entstanden
sein.
Die Brähml-Schrift wurde seit dem 3. Jh. v. Chr. dazu benutzt, indische Sprachen mit Ausnahme der
Gändhärl wiederzugeben. Im Nordwesten des heutigen Pakistan hat sie im Laufe der Zeit die Kharosthi
abgelöst und breitete sich seit dem 2. Jh. n. Chr. mit dem Buddhismus auch in Transoxanien und dem Ta-
rimbecken aus. Dabei bildeten sich lokale Schriftvarianten aus. Was Hodar angeht, so dürfte nach von
Hinüber das Gros der etwa 200 Brähmi-Inschriften etwas später als die Inschriften von Shatial zu datie-
ren sein.59 Bei einigen Inschriften läßt sich nach paläographischen Gesichtspunkten ein höheres Alter
zwar nicht ausschließen, doch erscheint dies angesichts der vielen späteren Inschriften eher unwahrschein-
lich. Anfang des 7. Jh. n. Chr.60 wurde die mehr ‘rundliche’ Brähmi im Raume Gilgit durch die Proto-
Säradä ersetzt. Auch sie ist in Hodar mit einigen Beispielen vertreten. Die Inschriften in Hodar dürften
im wesentlichen also vermutlich zwischen 400 und 700 n. Chr. entstanden sein.61
Bemerkenswert ist das fast völlige62 Fehlen sogdischer, mittelpersischer, baktrischer und parthischer In-
schriften in diesem Felsbildkomplex.
Aufgrund der erwähnten Zeiträume, denen sich die einzelnen Schriftarten zuordnen lassen, kann versucht
werden, benachbarte Gravuren mit Hilfe des Patinavergleichs relativ zu datieren. Diese Vergleichsmög-
lichkeit beschränkt sich jedoch ausschließlich auf einander eng benachbarte Zeichnungen, d.h. solche, die
sich auf demselben Stein und möglichst auf derselben Fläche finden. So können beispielsweise aus dersel-
ben Zeit stammende Brähmi-Inschriften je nach Himmelsrichtung oder Neigungswinkel der Fläche, auf
der sie angebracht wurden, sehr unterschiedlich patiniert sein. Diese Datierungsmethode ist also, wie wei-
ter unten ausführlich erörtert,63 generell mit Vorsicht und nur unter den genannten Einschränkungen
als zusätzliches Kriterium zu verwenden. Gleichfalls eine relative Datierung ermöglichen die in Hodar
zahlreich vorhandenen Überlagerungen von Ritzungen. Aus ihnen lassen sich zudem auch Rückschlüsse
auf Geschichte, Entwicklung und Bedeutung des Felsbildkomplexes ziehen.64
58 Abgesehen von durch den jeweiligen Felsbildkomplex vorgegebenen Modifikationen sind die folgenden Bemerkungen für
die Petroglyphen des Oberen Indus allgemeingültig und wurden daher teilweise aus MANP 2 übernommen (FUSSMAN/KÖ-
N1G 1997: 4L).
59 Hierzu vgl. von HINÜBER unten S. 90.
60 von Hinüber 1983: 61; Sander 1989: 110f.; Fussman 1993: 17, 27.
61 So von Hinüber unten S. 90.
62 Die beiden Ausnahmen sind die erwähnte baktrische Inschrift (48:2) und eine sogdische Inschrift (69:33).
63 S. 119ff.
64 Hierzu vgl. unten S. 120ff.
 
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