Stellenkommentar WA 7, KSA 6, S. 27 111
„der Begriff ,gleiche Rechte'" „unzugänglich" geblieben sei. Das eigentliche
Argument gegen die Gleichheit der Rechte im Sinne der egalite der Französi-
schen Revolution lautet also, dass keiner gleiche Rechte beanspruchen darf,
der ungleich ist. Aus der behaupteten oder diagnostizierten Ungleichheit der
Menschen zieht N. die praktische Folgerung, dass eine rechtliche Gleichheits-
forderung illegitim sei. „Das Unrecht liegt niemals in ungleichen Rechten, es
liegt im Anspruch auf ,gleiche' Rechte..." (AC 57, KSA 6, 244, 28-30) Wie
wenig plausibel der Anspruch auf Rechtsgleichheit ist, will N. schließlich auch
im Feld der Ästhetik am Beispiel der deutschen Vorliebe deutlich machen,
allem wahllos gleiches Recht zuzubilligen, anstatt nach Qualität zu unterschei-
den (EH WA 1, KSA 6, 358, 5-7). In der Formel von den „gleichen Rechten" ist
bei N. „gleich" meist gesperrt, womit er unterstreicht, dass er niemandem jegli-
che Rechte absprechen will, sondern nur die allgemeine Rechtsgleichheitsfor-
derung bekämpft. Vgl. NK KSA 6, 138, 15-18 u. zu N.s Kritik an den „modernen
Ideen" NK KSA 1, 20, 18-20.
27, 26 f. die Vibration und Exuberanz des Lebens] Vibration ist N. in strikt
physiologischem Sinne geläufig, vgl. z. B. den Abschnitt „Analogie de la Vibra-
tion nerveuse et de la vibration musculaire" bei Richet 1884, 465-467. Die
„Exuberanz-Formen des Lebens" werden in GD Streifzüge eines Unzeitgemäs-
sen 21, KSA 6, 125, 9 gegen Schopenhauers Abwertung des Lebens ins Feld
geführt; in EH Warum ich so weise bin 1, KSA 6, 265, 5 gibt es auch eine
„Exuberanz des Geistes" sowie in NL 1888, KSA 13, 14[170], 356, 21 f. (KGW IX
8, W II 5, 35, 4) eine „Exuberanz der inneren Spannung". Versteht man unter
Exuberanz „Überfülle" (Meyer 1885-1892, 5, 982), so passt der Begriff, der erst
in N.s letztem Schaffensjahr auftaucht, gut zu dessen Konzept des sich unent-
wegt steigernden und in der Steigerung erst realisierenden Willens zur Macht.
Während die Wendung „Exuberanz des Lebens" sich vor N. auf Deutsch kaum
nachweisen lässt, ist „exuberance de la vie" oder „exuberance de vie" auf
Französisch sehr häufig anzutreffen. In Charles Richets L'homme et l'intelli-
gence konnte N. sich über die von Trunkenheit beeinflusste „exuberance passa-
gere de vitalite intellectuelle" (Richet 1884, 96) bei Dichtern aufklären lassen.
27, 29 Chaos] Vgl. NK 24, 24-26 f.
27, 33 Bei Wagner steht im Anfang die Hallucination] In der von N. konsultier-
ten medizinisch-physiologischen Literatur spielen Halluzinationen in der
Symptomatik eine nicht unwesentliche Rolle, vgl. z. B. Richet 1884, 102 f. über
die halluzinogene Wirkung des Alkohols, zur Unterscheidung von Halluzina-
tion und Illusion ebd., 129 f. Übrigens berichtet Cosima Wagner gelegent-
lich von halluzinationsartigen Krankheitserscheinungen bei ihrem Gatten:
„R[ichard] eine sehr üble Nacht gehabt, hat Congestionen und wie förmliche
„der Begriff ,gleiche Rechte'" „unzugänglich" geblieben sei. Das eigentliche
Argument gegen die Gleichheit der Rechte im Sinne der egalite der Französi-
schen Revolution lautet also, dass keiner gleiche Rechte beanspruchen darf,
der ungleich ist. Aus der behaupteten oder diagnostizierten Ungleichheit der
Menschen zieht N. die praktische Folgerung, dass eine rechtliche Gleichheits-
forderung illegitim sei. „Das Unrecht liegt niemals in ungleichen Rechten, es
liegt im Anspruch auf ,gleiche' Rechte..." (AC 57, KSA 6, 244, 28-30) Wie
wenig plausibel der Anspruch auf Rechtsgleichheit ist, will N. schließlich auch
im Feld der Ästhetik am Beispiel der deutschen Vorliebe deutlich machen,
allem wahllos gleiches Recht zuzubilligen, anstatt nach Qualität zu unterschei-
den (EH WA 1, KSA 6, 358, 5-7). In der Formel von den „gleichen Rechten" ist
bei N. „gleich" meist gesperrt, womit er unterstreicht, dass er niemandem jegli-
che Rechte absprechen will, sondern nur die allgemeine Rechtsgleichheitsfor-
derung bekämpft. Vgl. NK KSA 6, 138, 15-18 u. zu N.s Kritik an den „modernen
Ideen" NK KSA 1, 20, 18-20.
27, 26 f. die Vibration und Exuberanz des Lebens] Vibration ist N. in strikt
physiologischem Sinne geläufig, vgl. z. B. den Abschnitt „Analogie de la Vibra-
tion nerveuse et de la vibration musculaire" bei Richet 1884, 465-467. Die
„Exuberanz-Formen des Lebens" werden in GD Streifzüge eines Unzeitgemäs-
sen 21, KSA 6, 125, 9 gegen Schopenhauers Abwertung des Lebens ins Feld
geführt; in EH Warum ich so weise bin 1, KSA 6, 265, 5 gibt es auch eine
„Exuberanz des Geistes" sowie in NL 1888, KSA 13, 14[170], 356, 21 f. (KGW IX
8, W II 5, 35, 4) eine „Exuberanz der inneren Spannung". Versteht man unter
Exuberanz „Überfülle" (Meyer 1885-1892, 5, 982), so passt der Begriff, der erst
in N.s letztem Schaffensjahr auftaucht, gut zu dessen Konzept des sich unent-
wegt steigernden und in der Steigerung erst realisierenden Willens zur Macht.
Während die Wendung „Exuberanz des Lebens" sich vor N. auf Deutsch kaum
nachweisen lässt, ist „exuberance de la vie" oder „exuberance de vie" auf
Französisch sehr häufig anzutreffen. In Charles Richets L'homme et l'intelli-
gence konnte N. sich über die von Trunkenheit beeinflusste „exuberance passa-
gere de vitalite intellectuelle" (Richet 1884, 96) bei Dichtern aufklären lassen.
27, 29 Chaos] Vgl. NK 24, 24-26 f.
27, 33 Bei Wagner steht im Anfang die Hallucination] In der von N. konsultier-
ten medizinisch-physiologischen Literatur spielen Halluzinationen in der
Symptomatik eine nicht unwesentliche Rolle, vgl. z. B. Richet 1884, 102 f. über
die halluzinogene Wirkung des Alkohols, zur Unterscheidung von Halluzina-
tion und Illusion ebd., 129 f. Übrigens berichtet Cosima Wagner gelegent-
lich von halluzinationsartigen Krankheitserscheinungen bei ihrem Gatten:
„R[ichard] eine sehr üble Nacht gehabt, hat Congestionen und wie förmliche