Stellenkommentar GD Sprüche, KSA 6, S. 60 231
druck „wagnerisme" ist N. schon aus seinen Lektüren geläufig, vgl. z. B. aus
Sully 1882, 77, wo Schopenhauer als philosophischer Vorgänger Wagners
erscheint.
Das Thema, dass mich stärker mache, was mich nicht umbringe, kehrt in
der Schlusspassage von GD, dem Zarathustra-Zitat „Der Hammer redet" (KSA 6,
161) wieder und wird vorweggenommen in Za III Der Wanderer (KSA 4, 194,
20): „Gelobt sei, was hart macht!" Der Gedanke, so sehr N. ihn in EH Warum
ich so weise bin 2 (KSA 6, 266 f.) autobiographisch zu beglaubigen sucht (expli-
zit 267, 15), hat eine Wurzel auch in N.s Lektüren, namentlich in den Essays
von Ralph Waldo Emerson: „Nicht bis wir gestochen und verwundet sind, oder
bis zum Tode verletzt, nicht eher erwacht unsere Indignation und bewaffnet
sich mit geheimen Kräften. [...] Im allgemeinen ist jedes Uebel, dem wir nicht
unterliegen, eine Wohlthat für uns. Wie der Bewohner der Sandwichs-Inseln
glaubt, daß die Stärke /90/ und Tapferkeit des Feindes, den er tödtet, auf ihn
übergeht, so ziehen wir Kraft aus jeder Versuchung, welcher wir widerstehen."
(Emerson 1858, 89 f. Kursiviertes von N. unterstrichen, mehrfache Anstreichun-
gen am Rand). Zum Gedanken von 60, 8 f. vgl. auch NK 57, 17; ähnliche Überle-
gungen, die eine Universalisierung des Grundgedankens der Homöopathie
implizieren, Gleiches durch Gleiches zu kurieren, finden sich etwa in einer
Notiz von Friedrich Hebbel aus dem Jahr 1839: „Geister heilen sich am Ende
auch homöopathisch; was Einen krank macht, muß ihn wieder gesund machen
und die Krankheit ist nur ein Uebergang zur Gesundheit." (Hebbel 1903, 1, 416,
Nr. 1852) Bei dieser Idee eines homöopathischen Ausgleichs bleibt N. aber nicht
stehen, sondern reizt den Gedanken bis in seine Extreme aus.
Die Sentenz 60, 8 f. zählt zu den am häufigsten zitierten N.-Sätzen und
schien im Laufe ihrer Geschichte für verschiedenste Lebenslagen und politi-
sche Instrumentalisierungen tauglich. So schreibt Carl Zuckmayer in seiner
Autobiographie „Wir zitierten in den Kriegsjahren [sc. des Ersten Weltkriegs]
oft ein Wort von Nietzsche, ein gefährliches Wort, das sich aber für manchen
von uns bewährte. Es hat später meinem Freund Carlo Mierendorff geholfen,
fünf qualvolle KZ-Jahre zu überstehen, und weiterzuleben: ,Was mich nicht
umbringt, macht mich stärker.'" (Zuckmayer 1967, 214; auch Kr II, 620) Alfred
Baeumler schließt am 13. Oktober 1944 seinen Gedenkartikel zu N.s 100.
Geburtstag im Völkischen Beobachter mit dieser Sentenz und einem Appell an
die Tapferkeit (Baeumler 1944, 2, vgl. Pestlin 2001, 246 u. Piecha 1998, 134),
während Ernst Jünger sie in seinem Pariser Tagebuch am 5. November 1941
noch überbietet: „,Was mich nicht umbringt, macht mich stärker'; und was
mich umbringt, ungeheuer stark." (Jünger 1979, 269) Als Motto eignet sich N.s
Sentenz besonders gut (vgl. z. B. Zweig 1981, 214) und findet international
Beachtung, so etwa in Albert Camus' Tagebuch (vgl. Lauble 1984, 261).
druck „wagnerisme" ist N. schon aus seinen Lektüren geläufig, vgl. z. B. aus
Sully 1882, 77, wo Schopenhauer als philosophischer Vorgänger Wagners
erscheint.
Das Thema, dass mich stärker mache, was mich nicht umbringe, kehrt in
der Schlusspassage von GD, dem Zarathustra-Zitat „Der Hammer redet" (KSA 6,
161) wieder und wird vorweggenommen in Za III Der Wanderer (KSA 4, 194,
20): „Gelobt sei, was hart macht!" Der Gedanke, so sehr N. ihn in EH Warum
ich so weise bin 2 (KSA 6, 266 f.) autobiographisch zu beglaubigen sucht (expli-
zit 267, 15), hat eine Wurzel auch in N.s Lektüren, namentlich in den Essays
von Ralph Waldo Emerson: „Nicht bis wir gestochen und verwundet sind, oder
bis zum Tode verletzt, nicht eher erwacht unsere Indignation und bewaffnet
sich mit geheimen Kräften. [...] Im allgemeinen ist jedes Uebel, dem wir nicht
unterliegen, eine Wohlthat für uns. Wie der Bewohner der Sandwichs-Inseln
glaubt, daß die Stärke /90/ und Tapferkeit des Feindes, den er tödtet, auf ihn
übergeht, so ziehen wir Kraft aus jeder Versuchung, welcher wir widerstehen."
(Emerson 1858, 89 f. Kursiviertes von N. unterstrichen, mehrfache Anstreichun-
gen am Rand). Zum Gedanken von 60, 8 f. vgl. auch NK 57, 17; ähnliche Überle-
gungen, die eine Universalisierung des Grundgedankens der Homöopathie
implizieren, Gleiches durch Gleiches zu kurieren, finden sich etwa in einer
Notiz von Friedrich Hebbel aus dem Jahr 1839: „Geister heilen sich am Ende
auch homöopathisch; was Einen krank macht, muß ihn wieder gesund machen
und die Krankheit ist nur ein Uebergang zur Gesundheit." (Hebbel 1903, 1, 416,
Nr. 1852) Bei dieser Idee eines homöopathischen Ausgleichs bleibt N. aber nicht
stehen, sondern reizt den Gedanken bis in seine Extreme aus.
Die Sentenz 60, 8 f. zählt zu den am häufigsten zitierten N.-Sätzen und
schien im Laufe ihrer Geschichte für verschiedenste Lebenslagen und politi-
sche Instrumentalisierungen tauglich. So schreibt Carl Zuckmayer in seiner
Autobiographie „Wir zitierten in den Kriegsjahren [sc. des Ersten Weltkriegs]
oft ein Wort von Nietzsche, ein gefährliches Wort, das sich aber für manchen
von uns bewährte. Es hat später meinem Freund Carlo Mierendorff geholfen,
fünf qualvolle KZ-Jahre zu überstehen, und weiterzuleben: ,Was mich nicht
umbringt, macht mich stärker.'" (Zuckmayer 1967, 214; auch Kr II, 620) Alfred
Baeumler schließt am 13. Oktober 1944 seinen Gedenkartikel zu N.s 100.
Geburtstag im Völkischen Beobachter mit dieser Sentenz und einem Appell an
die Tapferkeit (Baeumler 1944, 2, vgl. Pestlin 2001, 246 u. Piecha 1998, 134),
während Ernst Jünger sie in seinem Pariser Tagebuch am 5. November 1941
noch überbietet: „,Was mich nicht umbringt, macht mich stärker'; und was
mich umbringt, ungeheuer stark." (Jünger 1979, 269) Als Motto eignet sich N.s
Sentenz besonders gut (vgl. z. B. Zweig 1981, 214) und findet international
Beachtung, so etwa in Albert Camus' Tagebuch (vgl. Lauble 1984, 261).