Metadaten

Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0286
Lizenz: In Copyright

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Stellenkommentar GD Sokrates, KSA 6, S. 68 267

13: „An sich über das Leben Gericht zu halten, bleibt immer eine Narrheit
von Seiten eines Lebenden; und von Seiten eines Todten ein Kunststück, das
schwierig zu lösen sein würde" (KGW IX 8, W II 5, 51, 46-50; die gesamte
Passage ist im Original durchgestrichen). Vgl. auch NL 1887/88, KSA 13, 11[72],
36, 3-5 (KGW IX 7, W II 3, 167, 64-68): „der Gesammtwerth der Welt
ist unabwerthbar, folglich gehört der philosophische Pessimismus unter
die komischen Dinge".
Der Werth des Lebens ist der Titel eines berühmten Buches von Eugen
Dühring (1865, vgl. NPB 202), mit dem sich N. noch in GM II 11, KSA 5, 310
kritisch auseinandersetzt (die Formulierung kehrt wieder in GD Moral als
Widernatur 5, KSA 6, 86, 12). In NL 1875, KSA 8, 9[1], 131-181 gibt es ein
langes Exzerpt aus Dührings Werk. Das „grosse Fragezeichen vom Werth des
Daseins" (GT Versuch einer Selbstkritik 1, KSA 1, 12, 7 f.) ist schon bei Scho-
penhauer stark präsent (siehe Die Welt als Wille und Vorstellung, Bd. 1, Buch
4, § 53 und NK KSA 1, 12, 7 f.). Zur Interpretation von 68, 13-16 vgl. z. B.
Babich 1994, 206.
68, 19-23 Von Seiten eines Philosophen im Werth des Lebens ein Problem
sehn bleibt dergestalt sogar ein Einwurf gegen ihn, ein Fragezeichen an seiner
Weisheit, eine Unweisheit. — Wie? und alle diese grossen Weisen — sie wären
nicht nur decadents, sie wären nicht einmal weise gewesen?] Die decadence-
Philosophen haben nach N.s Diagnose offensichtlich seit Sokrates und Platon
den Wert des Lebens geleugnet, während N. ihnen nun nachzuweisen ver-
sucht, dass eine solche Leugnung unweise sei, weil sich der Wert des Lebens
eben nicht abschätzen lasse. Freilich wäre dann die bloße Bejahung des
Lebens als Gegenmaxime zur Lebensverneinung ebenso sinnlos und unweise.
Leben an sich kann damit nicht an sich bejahenswert sein, sondern allenfalls
die Lebenssteigerung.

3
68, 26-28 Sokrates gehörte, seiner Herkunft nach, zum niedersten Volk: Sokra-
tes war Pöbel. Man weiss, man sieht es selbst noch, wie hässlich er war.] Auf
Sokrates' niedere Herkunft spielt N. gelegentlich an (vgl. z. B. JGB 190, KSA 5,
111, 16; NL 1887, KSA 12, 9[20], 347 = KGW IX 6, W II 1, 120, 14-42 - vgl. zu
dieser Notiz auch NK 111, 21-112, 1). Friedrich Albert Lange verdächtigte in
seiner Geschichte des Materialismus, N.s „philosophische[m] Leibbuch" (Ber-
noulli 1908, 1, 221, vgl. Stack 1983 u. mit Forschungsliteratur NH 416) die sokra-
tisch-platonische Philosophie als „Reaktion im schlimmsten Sinne
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften