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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0505
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486 Götzen-Dämmerung

nichts weiter als daß ein physiologisches Werthgefühl sich aus Sphären zu
begründen sucht, woher solchen Entartenden der Begriff des Werths über-
haupt zugänglich ist. Die Auslegung, mit der der christliche ,Sünder' sich zu
verstehen glaubt, ist kein Versuch, den Mangel an Macht und Selbstgewißheit
berechtigt zu finden: er will lieber sich schuldig fühlen als umsonst sich
schlecht fühlen (— die Bestie Mensch, mit ihrem Hunger nach Gründen, frißt
gute und schlechte Gründe ohne Unterschied) An sich ist es ein Zeichen von
Verfall, Interpretation(en) nach Art des Christen überhaupt zu brauchen. —
In anderen Fällen, wir sahen es bereits, sucht der Schlechtweggekommene den
Grund dafür nicht in seiner Schuld, sondern in der der Gesellschaft: der
Socialist, der Anarchist, der Nihilist, indem sie ihr Dasein als etwas interpreti-
ren, an dem Jemand schuldig sein soll, ist damit immer noch der Nächstver-
wandte des Christen (— ich rede an einer andren Stelle von der innersten
Instinkt-Gemeinschaft zwischen Christ, Plebejer, Krankem, Armem, Idiot) Man
glaubt das Sich schlecht Befinden und Mißrathen sein (deutlicher: das Überge-
wicht der depressiven Zustände über die tonischen) besser zu ertragen, wenn
man Jemanden" (KSA 14, 427-430, der Text bricht ab, da im Manuskript eine
Seite herausgerissen ist).
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130, 28 Der Immoralist redet.] Der titelartige Eingangssatz, der hier wie
in vielen Abschnitten von GD Streifzüge eines Unzeitgemässen die thematische
Richtung anzeigt, artikuliert zugleich die Perspektive, unter der das Folgende
steht und ist somit eine literarisch-stilistische Umsetzung des Perspektivismus.
Der Philosoph, dessen Sicht 130, 28-131, 25 reproduziert, ist von vornherein
als immoralistisch gekennzeichnet und damit grundlegend von den herkömm-
lichen Philosophen unterschieden, die z. B. GD Die „Vernunft" in der Philoso-
phie (KSA 6, 74-79) kritisiert.
131, 1-4 Sieht er den Menschen nur in seinem Thun, sieht er dieses tapferste,
listigste, ausdauerndste Thier verirrt selbst in labyrinthische Nothlagen, wie
bewunderungswürdig erscheint ihm der Mensch!] Vgl. GM III 28, wo geschildert
wird, wie sich ,,[d]er Mensch, das tapferste und leidgewohnteste Thier" (KSA
5, 411, 16) auf der Suche nach einem Sinn des Leidens im asketischen Ideal
verirrt. Das Motiv des listigen Tieres kehrt wieder in DD Nur Narr! Nur Dichter!,
vgl. NK KSA 6, 377, 18-20; zu N.s Animalisierung des Menschen vgl. NK KSA
6, 180, 3-9.
131, 4-7 Aber der Philosoph verachtet den wünschenden Menschen, auch den
„wünschbaren" Menschen — und überhaupt alle Wünschbarkeiten, alle Ideale
 
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