4 Der Antichrist. Fluch auf das Christenthum
Krankheit nichts daran, dass N.s Werke und Aufzeichnungen von 1888/89 phi-
losophische Aufmerksamkeit verdienen.
Am 13. 02. 1888 berichtete N. Heinrich Köselitz: „Ich habe die erste Nieder-
schrift meines ,Versuchs einer Umwerthung' fertig: es war, Alles in Allem, eine
Tortur, auch habe ich durchaus noch nicht den Muth dazu. Zehn Jahre später
will ichs besser machen." (KSB 8, Nr. 991, S. 252, Z. 63-66) Bei diesem „Ver-
such" handelt es sich um die Nachlasshefte W II 1, W II 2 und W II 3; zehn
Jahre sollte die Ausarbeitung aber nicht mehr warten müssen. Am 2. April
verließ N. Nizza in Richtung Turin, wo er, weil er in den falschen Zug gestiegen
war, erst am 5. April anlangte: „Das ist wirklich die Stadt, die ich jetzt brau-
chen kann!", heißt es im Brief an Köselitz vom 07. 04. 1888 (KSB 8, Nr. 1013,
S. 285, Z. 45 f.). In dieser Zeit entstanden Der Fall Wagner sowie die Nachlass-
hefte W II 5 und W II 6. Schon Anfang Juni zog es N. das siebte und letzte Mal
ins Engadin, nach Sils-Maria, wo er bis zum 20. September weilen sollte. Die
Nachrichten, die er über seinen Gesundheitszustand beispielsweise Overbeck
am 04. 07. 1888 schickte, klangen allerdings wenig hoffnungsfroh: „Die Lebens-
Kraft ist nicht mehr intakt." (KSB 8, Nr. 1056, S. 347, Z. 21 f.) Dennoch wurde
N. im Sommer 1888 von einem „Rausch zur Entscheidung" (Schellong 1981,
360) ergriffen.
Am „letzten Sonntag des / Monat August 1888" setzte N. seinen letzten
„Entwurf des / Plans zu: / der Wille zur Macht. / Versuch / einer Umwer-
thung aller Werthe" (NL 1888, KSA 13, 18[17], 537) auf. Dieser „Entwurf" sieht
ein vier Bücher umfassendes Werk vor, das — wie später Der Antichrist (AC) —
mit einem Vorspann unter dem Titel „Wir Hyperboreer" einsetzt. Das erste
Buch trägt die Überschrift „was ist Wahrheit?", umfasst eine „Psycholo-
gie des Irrthums", Erörterungen zum „Werth von Wahrheit und Irrthum" und
zum „Willen zur Wahrheit". In einem zweiten Buch hätte die „Herkunft der
Werthe" anhand der „Metaphysiker", der „homines religiosi", der „Guten"
und „Verbesserer" zur Diskussion gestanden (ebd.). Das dritte Buch, betitelt
„Kampf der Werthe", sollte gemäß Entwurf „Gedanken über das Christen-
thum" ebenso wie eine „Physiologie der Kunst" und eine „Geschichte des euro-
päischen Nihilismus" beinhalten, während das vierte den „grossen Mit-
tag" verkündigte, wiederum in drei Kapiteln: „Das Princip des Lebens
,Rangordnung'", „Die zwei Wege" und „Die ewige Wieder-
kunft" (ebd., 538). Schon auf der in der Erstauflage der Genealogie der Moral
1887 abgedruckten Liste von „Friedrich Nietzsche's Schriften nach den Jahren
ihrer Entstehung" wird unter den in Vorbereitung befindlichen Schriften „Der
Wille zur Macht. Versuch einer Umwerthung aller Werthe. In vier Büchern"
genannt. Dem letzten Plan des „Willens zur Macht" in 18[17] folgend, stellte N.
im August 1888 einige Fragmente aus der Zeit von 1886/87 zusammen (Mp XVII
Krankheit nichts daran, dass N.s Werke und Aufzeichnungen von 1888/89 phi-
losophische Aufmerksamkeit verdienen.
Am 13. 02. 1888 berichtete N. Heinrich Köselitz: „Ich habe die erste Nieder-
schrift meines ,Versuchs einer Umwerthung' fertig: es war, Alles in Allem, eine
Tortur, auch habe ich durchaus noch nicht den Muth dazu. Zehn Jahre später
will ichs besser machen." (KSB 8, Nr. 991, S. 252, Z. 63-66) Bei diesem „Ver-
such" handelt es sich um die Nachlasshefte W II 1, W II 2 und W II 3; zehn
Jahre sollte die Ausarbeitung aber nicht mehr warten müssen. Am 2. April
verließ N. Nizza in Richtung Turin, wo er, weil er in den falschen Zug gestiegen
war, erst am 5. April anlangte: „Das ist wirklich die Stadt, die ich jetzt brau-
chen kann!", heißt es im Brief an Köselitz vom 07. 04. 1888 (KSB 8, Nr. 1013,
S. 285, Z. 45 f.). In dieser Zeit entstanden Der Fall Wagner sowie die Nachlass-
hefte W II 5 und W II 6. Schon Anfang Juni zog es N. das siebte und letzte Mal
ins Engadin, nach Sils-Maria, wo er bis zum 20. September weilen sollte. Die
Nachrichten, die er über seinen Gesundheitszustand beispielsweise Overbeck
am 04. 07. 1888 schickte, klangen allerdings wenig hoffnungsfroh: „Die Lebens-
Kraft ist nicht mehr intakt." (KSB 8, Nr. 1056, S. 347, Z. 21 f.) Dennoch wurde
N. im Sommer 1888 von einem „Rausch zur Entscheidung" (Schellong 1981,
360) ergriffen.
Am „letzten Sonntag des / Monat August 1888" setzte N. seinen letzten
„Entwurf des / Plans zu: / der Wille zur Macht. / Versuch / einer Umwer-
thung aller Werthe" (NL 1888, KSA 13, 18[17], 537) auf. Dieser „Entwurf" sieht
ein vier Bücher umfassendes Werk vor, das — wie später Der Antichrist (AC) —
mit einem Vorspann unter dem Titel „Wir Hyperboreer" einsetzt. Das erste
Buch trägt die Überschrift „was ist Wahrheit?", umfasst eine „Psycholo-
gie des Irrthums", Erörterungen zum „Werth von Wahrheit und Irrthum" und
zum „Willen zur Wahrheit". In einem zweiten Buch hätte die „Herkunft der
Werthe" anhand der „Metaphysiker", der „homines religiosi", der „Guten"
und „Verbesserer" zur Diskussion gestanden (ebd.). Das dritte Buch, betitelt
„Kampf der Werthe", sollte gemäß Entwurf „Gedanken über das Christen-
thum" ebenso wie eine „Physiologie der Kunst" und eine „Geschichte des euro-
päischen Nihilismus" beinhalten, während das vierte den „grossen Mit-
tag" verkündigte, wiederum in drei Kapiteln: „Das Princip des Lebens
,Rangordnung'", „Die zwei Wege" und „Die ewige Wieder-
kunft" (ebd., 538). Schon auf der in der Erstauflage der Genealogie der Moral
1887 abgedruckten Liste von „Friedrich Nietzsche's Schriften nach den Jahren
ihrer Entstehung" wird unter den in Vorbereitung befindlichen Schriften „Der
Wille zur Macht. Versuch einer Umwerthung aller Werthe. In vier Büchern"
genannt. Dem letzten Plan des „Willens zur Macht" in 18[17] folgend, stellte N.
im August 1888 einige Fragmente aus der Zeit von 1886/87 zusammen (Mp XVII