28 Der Antichrist. Fluch auf das Christenthum
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169, 2 Sehen wir uns ins Gesicht.] Vgl. NK KSA 6, 77, 3. Nicht mehr das alleinge-
lassene „Ich" spricht wie noch im Vorwort von seinen abwesenden Lesern,
sondern ein „Wir", in dem Leser und Autor aufgehoben scheinen, widmet sich
der Selbstbetrachtung. Nach der Lektüre des Vorwortes, das den Leser als uner-
wünscht abstempelt, wird er nun in einem Akt der Überrumpelung jener abwe-
senden, idealen Leserschaft zugeschlagen, mit denen N. gemeinsame Sache
macht.
169, 2 f. Wir sind Hyperboreer, — wir wissen gut genug, wie abseits wir leben.]
„Hyperboreer, ein fabelhaftes Volk, das durch die Überlieferung mit den Tem-
peln in Delos, Delphi und Tempe in Verbindung gebracht worden ist. Der Name
bedeutet, daß es hoch im Norden, noch ,über den Boreas hinaus', wohnt und
daher von dem kalten Nordwind nicht getroffen wird. Während Herodot und
Strabon die Existenz eines solchen Volkes bezweifeln, suchen die meisten spä-
tem Dichter und Geographen den Hyperboreern im Norden der Erde bestimmte
Wohnsitze anzuweisen. [...] Allenthalben erscheinen die H. in ihrem milden,
sonnigen und fruchtbaren Land als ein glückseliges Volk, ausgezeichnet durch
Reinheit der Sitten und Frömmigkeit und von langer Lebensdauer. [...] /850/
[...] Sie wohnten in Hainen und Gehegen, lebten von Baumfrüchten, aßen kein
Fleisch und kannten, stets in froher Muße lebend, weder Krieg noch Streit. Mit
größtem Eifer lagen sie dem Kultus des Apollon, der vom Beginn des Frühlings
bis in den Sommer hinein bei ihnen zu verweilen pflegte, ob [...]. — Scherz-
weise gebraucht man den Ausdruck H. zuweilen auch für Sonderlinge in Sitten,
Kleidung etc." (Meyer 1885-1892, 8, 849 f.).
Eine meteorologisch-geographische Metaphorik umreißt die Geisteshaltun-
gen, die in AC 1 einander entgegenstehen: Mit „Hyperboreer" versus „Scirocco"
(169, 15) werden (die) zwei Alternativen der gegenwärtig möglichen Lebensvoll-
züge in einer geistigen Landschaft verortet. Während die Hyperboreer, wie ihr
Name sagt, jenseits des Nordwindes hausen, ist es die large „Toleranz" (169,
13), die ihnen als warmer Südwind — Scirocco — ins Gesicht zu blasen und
das Eis ihrer Entschlossenheit zu schmelzen droht. Siehe auch Menzel 1870, 1,
42 u. 87-89 sowie NK 174, 17.
169, 3-5 „Weder zu Lande, noch zu Wasser wirst du den Weg zu den Hyperbo-
reern finden": das hat schon Pindar von uns gewusst.] Vgl. Pindar: Pythische
Oden X 29-30: „vavoi ö'ovte ngog iwv (kev) evpoig / eg 'Ynepßopewv dywva
Oavpaordv öööv." In der in N.s Bibliothek von Johannes Tycho Mommsen
erhaltenen Übersetzung lautet der Passus: „Doch du fändest weder zu See
noch zu Lande / zu der Hyperboreer Spiel den wunderbaren Pfad." (Pindaros
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169, 2 Sehen wir uns ins Gesicht.] Vgl. NK KSA 6, 77, 3. Nicht mehr das alleinge-
lassene „Ich" spricht wie noch im Vorwort von seinen abwesenden Lesern,
sondern ein „Wir", in dem Leser und Autor aufgehoben scheinen, widmet sich
der Selbstbetrachtung. Nach der Lektüre des Vorwortes, das den Leser als uner-
wünscht abstempelt, wird er nun in einem Akt der Überrumpelung jener abwe-
senden, idealen Leserschaft zugeschlagen, mit denen N. gemeinsame Sache
macht.
169, 2 f. Wir sind Hyperboreer, — wir wissen gut genug, wie abseits wir leben.]
„Hyperboreer, ein fabelhaftes Volk, das durch die Überlieferung mit den Tem-
peln in Delos, Delphi und Tempe in Verbindung gebracht worden ist. Der Name
bedeutet, daß es hoch im Norden, noch ,über den Boreas hinaus', wohnt und
daher von dem kalten Nordwind nicht getroffen wird. Während Herodot und
Strabon die Existenz eines solchen Volkes bezweifeln, suchen die meisten spä-
tem Dichter und Geographen den Hyperboreern im Norden der Erde bestimmte
Wohnsitze anzuweisen. [...] Allenthalben erscheinen die H. in ihrem milden,
sonnigen und fruchtbaren Land als ein glückseliges Volk, ausgezeichnet durch
Reinheit der Sitten und Frömmigkeit und von langer Lebensdauer. [...] /850/
[...] Sie wohnten in Hainen und Gehegen, lebten von Baumfrüchten, aßen kein
Fleisch und kannten, stets in froher Muße lebend, weder Krieg noch Streit. Mit
größtem Eifer lagen sie dem Kultus des Apollon, der vom Beginn des Frühlings
bis in den Sommer hinein bei ihnen zu verweilen pflegte, ob [...]. — Scherz-
weise gebraucht man den Ausdruck H. zuweilen auch für Sonderlinge in Sitten,
Kleidung etc." (Meyer 1885-1892, 8, 849 f.).
Eine meteorologisch-geographische Metaphorik umreißt die Geisteshaltun-
gen, die in AC 1 einander entgegenstehen: Mit „Hyperboreer" versus „Scirocco"
(169, 15) werden (die) zwei Alternativen der gegenwärtig möglichen Lebensvoll-
züge in einer geistigen Landschaft verortet. Während die Hyperboreer, wie ihr
Name sagt, jenseits des Nordwindes hausen, ist es die large „Toleranz" (169,
13), die ihnen als warmer Südwind — Scirocco — ins Gesicht zu blasen und
das Eis ihrer Entschlossenheit zu schmelzen droht. Siehe auch Menzel 1870, 1,
42 u. 87-89 sowie NK 174, 17.
169, 3-5 „Weder zu Lande, noch zu Wasser wirst du den Weg zu den Hyperbo-
reern finden": das hat schon Pindar von uns gewusst.] Vgl. Pindar: Pythische
Oden X 29-30: „vavoi ö'ovte ngog iwv (kev) evpoig / eg 'Ynepßopewv dywva
Oavpaordv öööv." In der in N.s Bibliothek von Johannes Tycho Mommsen
erhaltenen Übersetzung lautet der Passus: „Doch du fändest weder zu See
noch zu Lande / zu der Hyperboreer Spiel den wunderbaren Pfad." (Pindaros