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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0062
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Stellenkommentar AC 3, KSA 6, S. 170 39

und Erziehung (,Zucht und Ordnung') hineinzugehören scheint (vgl. NH 360 f.
[Thomas Brobjer]). Auch an das Paideia-Konzept von N.s Antipoden Platon —
an dessen Erziehungs- und Menschenbildungskonzept in der Politeia — ist bei
der Erschließung des geistesgeschichtlichen Hintergrunds von „Züchtung" in
N.s Spätwerk zu denken.
Dennoch verstehen manche Interpreten N.s Züchtungsgedanken als rassis-
tisch (Cancik 1997, 64). Immerhin wurde N. wegen Stellen wie AC 3 von natio-
nalsozialistischen Autoren gerühmt, „die Biologie für die Philosophie wieder
entdeckt zu haben" (Römer 1940, 59). In AC 3 und 4 scheint sich N. jedenfalls
mit Galton 1883, 308 anfreunden zu können: „The influence of man upon the
nature of his own race has already been very large, but it has not been intelli-
gently directed, and has in many instances done great harm." Friedrich Albert
Lange verteidigt in seiner Geschichte des Materialismus Lamarcks These, erwor-
bene Eigenschaften könnten vererbt werden. N. hat aus diesen Überlegungen
folgern können, sein Züchtungsgedanke stehe mit der naturwissenschaftlichen
Erkenntnis im Einklang, vgl. Salaquarda 1978a, 250 f. Die Vorstellung, man
könne Menschen und erst noch einen charakterlich klar umrissenen Typus
Mensch wie Kaninchen züchten, ist eine Provokation, die unzweifelhaft erneut
scharf berechnet ist: Nämlich darauf, die empörten oder faszinierten Leser
durch die Schroffheit des Gesagten zum Weiterlesen zu zwingen. Züchtung
kann den Begriff „Erziehung" ersetzen, sobald der Mensch, nach dem Tode
Gottes, zum Tier unter Tieren geworden ist. Vgl. auch NK KSA 6, 99, 5-8 und
100, 2 f.
170, 18 f. Nicht, was die Menschheit ablösen soll in der Reihenfolge der Wesen]
Um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen (zu denen namentlich die Lehre
vom „Übermenschen" in Za Anlass gegeben hatte, vgl. NK KSA 6, 300, 25 f.),
wird klargestellt, keine humane Evolution zu einer neuen Gattung sei inten-
diert, so sehr das in AC 7, KSA 6, 173, 11 bemühte „Gesetz der Selection"
daran erinnert. Eine Vorarbeit zu AC 3 ist noch expliziter: „Was für ein Typus
die Menschheit einmal ablösen wird? Aber das ist bloße Darwinisten-Ideologie.
Als ob je Gattung abgelöst wurde! Was mich angeht, das ist das Problem der
Rangordnung innerhalb der Gattung Mensch" (NL 1888, KSA 13, 15[120], 481,
13-16). In GD Streifzüge eines Unzeitgemässen 14, KSA 6, 120, 31 f. rechnet N.
mit Darwin ab, indem er einen universellen Kampf um die Macht an die Stelle
des Kampfes ums Dasein setzt und behauptet, die „Schwachen" würden über
die „Starken" „immer wieder" triumphieren — denn „sie sind die grosse Zahl,
sie sind auch klüger...".
170, 19 das Problem, das ich hiermit stelle] Dieses „Problem" soll nicht bloß
als theoretische Frage behandelt werden, sondern verlangt nach einer Antwort
 
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