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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0145
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122 Der Antichrist. Fluch auf das Christenthum

,büeten‘ (büssen); diese Handlung ist aber nichts als das Rudiment einer Cult-
handlung: die Krankheit verräth eine ungetilgte Sühnschuld und consequent
ist ,die Krankheit beheben' und ,die Sühnschuld tilgen', d. i. büssen einerlei."
(Vgl. ebd., 178 f.).
189, 20 „Civilisation"] Vgl. Lecky 1873, 1, 239: „Das Christenthum ist das ein-
zige Beispiel einer Religion, die nicht naturgemäss von der Civilisation
geschwächt wurde." N. notierte dazu am Rand: „Unsinn!" Zum „Cultur"-Ver-
hältnis von Christentum und Buddhismus siehe auch NL 1887/88, KSA 13,
11[373], 167 (KGW IX 7, W II 3, 27, 2-14).

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189, 26-29 Er hat nicht mehr nöthig, sich sein Leiden, seine Schmerzfähigkeit
anständig zu machen durch die Interpretation der Sünde, — er sagt bloss,
was er denkt „ich leide".] Oldenberg 1881, 264 geht noch weiter: „Das Denken
hat das steinerne, sich selbst gleiche Sein des Brahmanismus zerschlagen; hier
ergreift es klar bewusst die letzte Consequenz seiner That: ist es das schlecht-
hin rastlose Fliessen der Dinge, was Leiden schafft, so kann man nicht mehr
sagen, dass ich leide, dass du leidest; es bleibt allein die Gewissheit über,
dass Leiden da ist, oder besser noch, dass Leiden entstehend und vergehend
sich zuträgt."
189, 32-190, 3 Hier war das Wort „Teufel" eine Wohlthat: man hatte einen
übermächtigen und furchtbaren Feind, — man brauchte sich nicht zu schämen,
an einem solchen Feind zu leiden.] Vgl. NK 183, 21-27 u. NK KSA 6, 84, 16-18.
Lecky 1873, 1, 1-107 (viele Lesespuren N.s) und Lippert 1882, 96-111 versorgten
N. mit religionsgeschichtlichem Material zum Teufel (vgl. auch Roskoff 1869),
aber die funktionale Zuspitzung, weshalb der krank gemachte Barbar des Teu-
fels bedarf, lässt sich bei diesen Autoren nicht nachweisen. Zusammenfassend
Lippert 1882, 559: „Der Streit, ob die volksthümliche Teufelsvorstellung christ-
lich oder heidnisch sei, ist bei solcher Fragestellung nicht zu lösen. Die Vorstel-
lung kann ohne Voraussetzung vorchristlicher nicht bestehen, aber die vor-
christlichen hätten auch niemals diesen Inhalt angenommen ohne den
christlich-jüdischen Teufelsbegriff. Heidnisch ist der Begriff überhaupt nicht,
und mit dem christlichen der Schrift deckt sich der des Volkes nicht. Was in
der genannten Vorstellung der vorchristlichen Zeit durchaus fremd ist, das ist
der Begriff eines absolut Bösen und zwar insbesondere des Bösen im ethischen
Sinne. [...] Alle Geister konnten dem Germanen als böse Geister entgegentreten,
selbst die eigenen Geister des Hauses; aber sie waren darum weder sittlich
 
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