Stellenkommentar AC, KSA 6, S. 253 319
an drei Stellen von der letzten Fassung von GWC abweichen (im Einzelnen
nachgewiesen in KGB III 7/3, 1, S. 467 f.) und damit auf eine noch weniger
ausgefeilte Vorstufe zu verweisen scheinen, so dass zur Abfassungszeit des
Briefes an Brandes die letzte Version vielleicht noch gar nicht vorlag.
GWC umfasst sieben „Sätze" und ist unterzeichnet: „Der Antichrist". Nach
Datierung und Präambel: „Todkrieg gegen das Laster: das Laster /
ist das Christenthum" (254, 4 f.), folgen diese sieben „Sätze", die mit
Ausnahme des letzten grammatikalisch jeweils aus mehreren Einzelsätzen
bestehen. Die Siebenzahl der Sätze spielt auf biblische Vorlagen, insbesondere
die Johannes-Apokalypse an. Der Verdacht, dass die Komplettierung der Sie-
benzahl einen typologischen Bezug herstellen sollte, rührt erstens vom Ein-
druck her, das Verkündete sei eine recht willkürliche Blütenlese der im neuen
Zeitalter gebotenen antichristlichen Handlungen und Haltungen. Die sieben
Sätze sind mitunter redundant. Zweitens impliziert GWC inhaltlich die Apoka-
lyptik in offensichtlich direkten Bezugnahmen. Schließlich kommt als letztes
Indiz hinzu, dass der dritte Teil von Za, der ursprünglich der letzte hätte sein
sollen, mit dem Kapitel „Die sieben Siegel" (KSA 4, 287) endet. Es wird der
Anspruch angemeldet, ein neues Weltzeitalter einzuläuten. GWC stellt als
„Gesetz" nicht etwa ein Instrument dar, mit dessen Hilfe das antichristliche
„Ich" wie in AC 62 sein Urteil fasst, sondern vielmehr ein Edikt, das Gewalt-
maßnahmen gegen das Christentum anordnet und selbst das Urteil von AC 62
schon voraussetzt. GWC will die (vermeintlich theoretischen) Erkenntnisse in
die (politische) Praxis des Terrors umsetzen. Zu seiner gesetzgeberischen Tätig-
keit sieht sich „Der Antichrist", der den Text unterzeichnet (vgl. NK 254, 32),
durch die Geschichte selbst legitimiert; in der Rolle des singulären Antichrist
findet eine eschatologische Selbstermächtigung statt.
Das praktische Problem bleibt die Verbindlichkeit: Wer soll, wer muss den
scheinbar unmissverständlichen Anweisungen von GWC gehorchen? AC und
GWC wollen bewirken, dass das Gelesene Tat wird. Diesem Zweck, die Leser
nicht bloß Leser sein zu lassen, sondern sie zur Tat anzustacheln, dient die
rhetorische Verschärfung, die in AC stattfindet und sich bis zu den Handlungs-
direktiven in GWC steigert. GWC ist trotz seiner esoterischen Geheimhaltung
eine exoterische Verlautbarung dessen, der sich anschickt, die abendländi-
schen Werte auf den Kopf zu stellen. Das ist der Text, der sich für alle Wände
und Kirchentüren nahelegt. Es ist allerdings auch ein Text, der die nichts mehr
angeht, welche die „Umwerthung aller Werthe" für sich schon vollzogen
haben.
Wer GWC neben AC Vorwort stellt, wird mutmaßen, hier seien zwei völlig
verschiedene Adressatenkreise gemeint: einmal die breite Masse, sodann die
„Wenigsten". Der Erlass eines (ultimativen) Gesetzes steht im höchst wirkungs-
an drei Stellen von der letzten Fassung von GWC abweichen (im Einzelnen
nachgewiesen in KGB III 7/3, 1, S. 467 f.) und damit auf eine noch weniger
ausgefeilte Vorstufe zu verweisen scheinen, so dass zur Abfassungszeit des
Briefes an Brandes die letzte Version vielleicht noch gar nicht vorlag.
GWC umfasst sieben „Sätze" und ist unterzeichnet: „Der Antichrist". Nach
Datierung und Präambel: „Todkrieg gegen das Laster: das Laster /
ist das Christenthum" (254, 4 f.), folgen diese sieben „Sätze", die mit
Ausnahme des letzten grammatikalisch jeweils aus mehreren Einzelsätzen
bestehen. Die Siebenzahl der Sätze spielt auf biblische Vorlagen, insbesondere
die Johannes-Apokalypse an. Der Verdacht, dass die Komplettierung der Sie-
benzahl einen typologischen Bezug herstellen sollte, rührt erstens vom Ein-
druck her, das Verkündete sei eine recht willkürliche Blütenlese der im neuen
Zeitalter gebotenen antichristlichen Handlungen und Haltungen. Die sieben
Sätze sind mitunter redundant. Zweitens impliziert GWC inhaltlich die Apoka-
lyptik in offensichtlich direkten Bezugnahmen. Schließlich kommt als letztes
Indiz hinzu, dass der dritte Teil von Za, der ursprünglich der letzte hätte sein
sollen, mit dem Kapitel „Die sieben Siegel" (KSA 4, 287) endet. Es wird der
Anspruch angemeldet, ein neues Weltzeitalter einzuläuten. GWC stellt als
„Gesetz" nicht etwa ein Instrument dar, mit dessen Hilfe das antichristliche
„Ich" wie in AC 62 sein Urteil fasst, sondern vielmehr ein Edikt, das Gewalt-
maßnahmen gegen das Christentum anordnet und selbst das Urteil von AC 62
schon voraussetzt. GWC will die (vermeintlich theoretischen) Erkenntnisse in
die (politische) Praxis des Terrors umsetzen. Zu seiner gesetzgeberischen Tätig-
keit sieht sich „Der Antichrist", der den Text unterzeichnet (vgl. NK 254, 32),
durch die Geschichte selbst legitimiert; in der Rolle des singulären Antichrist
findet eine eschatologische Selbstermächtigung statt.
Das praktische Problem bleibt die Verbindlichkeit: Wer soll, wer muss den
scheinbar unmissverständlichen Anweisungen von GWC gehorchen? AC und
GWC wollen bewirken, dass das Gelesene Tat wird. Diesem Zweck, die Leser
nicht bloß Leser sein zu lassen, sondern sie zur Tat anzustacheln, dient die
rhetorische Verschärfung, die in AC stattfindet und sich bis zu den Handlungs-
direktiven in GWC steigert. GWC ist trotz seiner esoterischen Geheimhaltung
eine exoterische Verlautbarung dessen, der sich anschickt, die abendländi-
schen Werte auf den Kopf zu stellen. Das ist der Text, der sich für alle Wände
und Kirchentüren nahelegt. Es ist allerdings auch ein Text, der die nichts mehr
angeht, welche die „Umwerthung aller Werthe" für sich schon vollzogen
haben.
Wer GWC neben AC Vorwort stellt, wird mutmaßen, hier seien zwei völlig
verschiedene Adressatenkreise gemeint: einmal die breite Masse, sodann die
„Wenigsten". Der Erlass eines (ultimativen) Gesetzes steht im höchst wirkungs-