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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0355
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332 Ecce homo. Wie man wird, was man ist

men, „daß weitere Textpassagen, vermutlich von Nietzsche in Gestalt von Ein-
zelblätter der Druckerei zugestellt, damals noch vorhanden waren, von Gast
jedoch bei seiner Abschrift bewußt ausgelassen wurden" (Hahn / Montinari
1985, 66). Zugleich schließt Montinari aus, dass Köselitz selbst eigenmächtig
von N. hinterlassene Manuskripte vernichtet habe.
Hingegen dürften Franziska und Elisabeth Förster-N. so verfahren sein, als
ihnen von Köselitz das ganze Druckmanuskript übergeben wurde. Die Vernich-
tung einschlägiger Dokumente räumt Elisabeth Förster-N. in ihrer N.-Biogra-
phie freimütig ein: „In jener Zeit [sc. Anfang Januar 1889] beschrieb er auch
einige Blätter mit seltsamen Phantasien, in denen sich die Sage des Dionysos-
Zagreus mit der Leidensgeschichte der Evangelien und den ihm nächststehen-
den Persönlichkeiten der Gegenwart vermischten: der von seinen Feinden zer-
rissene Gott wandelt neu erstanden an den Ufern des Po und sieht nun Alles,
was er jemals geliebt hat, seine Ideale, die Ideale der Gegenwart überhaupt,
weit unter sich. Seine Freunde und Nächsten sind ihm zu Feinden geworden,
die ihn zerrissen haben. Diese Blätter wenden sich gegen Richard Wagner,
Schopenhauer, Bismarck, seine nächsten Freunde: Professor Overbeck, Peter
Gast, Frau Cosima, meinen Mann, meine Mutter und mich. Während dieser
Zeit unterzeichnete er alle Briefe mit ,Dionysos' oder ,Der Gekreuzigte'. Auch
in diesen Aufzeichnungen sind noch Stellen von hinreißender Schönheit, aber
im Ganzen charakterisiren sie sich als krankhafter Fieberwahn. In den ersten
Jahren nach meines Bruders Erkrankung, als wir noch die falsche Hoffnung
hegten, daß er wieder gesund werden könnte, sind diese Blätter zum größten
Theil vernichtet worden. Es würde das liebevolle Herz und den guten
Geschmack meines Bruders auf das Tiefste verletzt haben, wenn ihm solche
Niederschriften späterhin zu Gesicht gekommen wären." (Förster 1904, 921)
Was dabei genau dem familiären Zensurwillen zum Opfer fiel, ist heute nicht
mehr zu sagen. Es ist festzuhalten, dass der oben erwähnte Zettel mit der
letzten (?) Fassung von EH Warum ich so weise bin 3 noch nicht Bestandteil
des zunächst von Köselitz verwahrten EH-Druckmanuskripts war, sondern ihm
erst später von Naumann ausgehändigt wurde, und dass Köselitz das Original
dieses Zettels erst der Familie übergab, nachdem er sich eine eigene Abschrift
angefertigt hatte (vgl. dazu NK ÜK EH Warum ich so weise bin 3). Das Original
wurde von der Familie vernichtet, während die Abschrift schließlich im Nach-
lass Köselitz auftauchte. Auf diesem Zettel findet sich etwa auch ein wichtiger
Hinweis für den Drucker (vgl. NK 263, 6-8).
Die letzte Überarbeitungsphase von EH bestand nicht mehr in einer Druck-
manuskript-Überarbeitung, sondern in der direkten Übersendung einzelner
Änderungsanweisungen auf jeweils einzelnen Blättern an den Verleger. Am
29. 12. 1888 schrieb N. an Naumann: „Ein Rest von Ms, lauter extrem wesentli-
 
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