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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0358
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Überblickskommentar 335

zen-Dämmerung, Nietzsche contra Wagner, Dionysos-Dithyramben und schließ-
lich Der Antichrist bis 1895 allesamt gedruckt vorlagen, ließ sich Elisabeth Förs-
ter-N. mit EH fast 20 Jahre Zeit. Sie benutzte das Werk als Steinbruch für ihre
eigenen Publikationen über den Bruder — insbesondere für die umfangreiche
Biographie (Schaberg 2002, 256 u. die Zusammenstellung in Kr IV, cxi; auch
anderweitig wurde Material aus EH benutzt, vgl. Kr I, 194; zum Umfeld siehe
Emmelius 2012). Diese Publikationen erhielten durch die ansonsten unedierten
N.-Originalpassagen ihre Weihe und Beglaubigung.
Als sich Förster-N. dann doch zu einer Drucklegung von EH durchrang,
sollte damit auch ein finanzieller Ertrag verbunden sein: Die erste Auflage der
vom Leipziger Philosophieprofessor Raoul Richter (1871-1912) besorgten, mit
einem Nachwort versehenen Ausgabe von EH, die 1908 in der Ausstattung des
berühmten belgischen Künstlers Henry van de Velde (1863-1957) im Insel-Ver-
lag Leipzig erschien, belief sich auf 1100 Exemplare auf normalem Papier und
auf 150 Exemplare auf Japanpapier. Der Preis der normalen Ausgabe betrug
bereits 20 Reichsmark, das der Vorzugsausgabe 50 Reichsmark — kein Wunder,
dass diese erste EH-Ausgabe als „Bankiersausgabe" bezeichnet wurde (Scha-
berg 2002, 256). EH war „schon vor dem Erscheinen durch Vorausbestellung
vergriffen" (Kr II, 389). Als Grund für die späte Veröffentlichung gibt Otto Weiss
im Herausgeber-Vorwort zur Edition innerhalb der sogenannten Großoktav-
Ausgabe von N.s Werken an, man habe sich an die „Motive, welche Overbeck
den Verwandten des Philosophen für seine Handlungsweise angegeben hatte",
„zunächst" gebunden gefühlt (EH-Erstausgabe, Leipzig 1908, 145 und GoA 15,
Leipzig 1922, XXIV). Overbeck hatte in einem Brief am 08. 03. 1889 den Verleger
Naumann unterrichtet, er sei mit Köselitz „übereingekommen, jetzt vom Druck
von Ecce homo abzusehen" (ebd.). Dass der Verzögerung der Drucklegung sei-
tens der Schwester andere Motive zugrunde lagen, darf man nach dem oben
Gesagten annehmen. Erst die Ausgabe von Giorgio Colli und Mazzino Monti-
nari bietet auf Grundlage des überlieferten Bestandes eine philologisch zuver-
lässige Textbasis — freilich ohne die vernichteten Passagen.

2 N.s werkspezifische Äußerungen
N.s Briefe erhellen die kurze, aber komplizierte Entstehungsgeschichte von EH.
Einschlägige Passagen wurden bereits in NK ÜK EH 1 zitiert. Im Laufe der
Entstehung hat N. das neue Projekt bewertet und kommentiert. Schon das erste
Auftauchen von EH in der Korrespondenz, nämlich im Brief an Köselitz vom
30. 10 1888, sieht in dem Werk eine Provokation der Zensur: „Mit diesem ,Ecce
homo' möchte ich die Frage zu einem derartigen Ernste, auch Neugierde stei-
 
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