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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0369
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346 Ecce homo. Wie man wird, was man ist

haben und jede Widerrede gegen das in EH Gesagte abblocken (frei nach dem
Motto: Zarathustra locutus, causa finita), andererseits unentwegt an das Ja-
Sagende in diesem Werk N.s erinnern. Za wird von N. retrospektiv zum Haupt-
werk stilisiert, für dessen angemessene Rezeption der „zerschmetternde[.]
Blitzschlag der Umwerthung, der die Erde in Convulsionen versetzen wird"
(EH Der Fall Wagner 4, KSA 6, 363, 34-364, 2), die notwendige Voraussetzung
sei. EH soll auf diesen Blitzschlag zum Einen vorbereiten, zum Andern selbst
bereits ein Exempel der neuen, positiven Weltbetrachtung statuieren: Die Auto-
genealogie zeigt ein Ich, das mit dem Ja-Sagen und dem Ja-Tun ernst macht
und nicht im Gestus der Verneinung verharrt. Und dieses Ich zeigt sich trotz
aller Bedrohung durch Leiden, decadence und christlich-nihilistische Werte
fundamental welt- und diesseitsfreudig, will also alle Verneinungsapostel und
Jenseitsprediger Lügen strafen. EH soll mit anderen Worten die praktische, die
lebenspraktische Leistungsfähigkeit von N.s Philosophie an einem Beispiel,
nämlich an N.s eigenem Leben und Werk demonstrieren. Nicht nur die Za-
Zitate haben Beglaubigungsfunktion für das in EH Gesagte, sondern EH selbst
soll das Denken N.s beglaubigen: als tauglich für die „Praktik" (AC 33, KSA 6,
205, 12) des großen Individuums. EH soll demonstrieren, wie ein Leben mit N.s
Denken sich konkret gestaltet und wie notwendig für jedes Individuum der
Vollzug einer eigenen Umwertung der Werte ist, um damit zu einem empha-
tisch positiven, einem „dionysischen" Selbst- und Weltverhältnis zu gelangen.
Ob N. diese Demonstration gelungen ist, steht dahin. N. publiziert sich selbst
und will damit exemplarisch werden für die künftigen Umwertungen, welche
die Leser an sich und an ihrer Welt vollziehen sollen.

6 Zur Wirkungsgeschichte
Als Ecce homo 1908 erschien, war N. bereits eine fest etablierte Größe im kultu-
rellen und akademischen Betrieb Deutschlands (zu den Phasen der frühen N.-
Rezeption scharfsinnig und polemisch Lessing 1985, 105-115). So ist es nicht
erstaunlich, dass die Erstausgabe des Werkes bereits am Tage ihres Erschei-
nens vergriffen war. Entsprechend zahlreich sind auch die zeitgenössischen
Rezensionen, welche das ganze Spektrum der damals möglichen N.-Rezepti-
onshaltungen von Psychopathologie-Diagnose bis hin zu kultischer Verehrung
abdecken (vgl. die Besprechungen im einzelnen bei Kr II, 410-445 u. ö.). Eine
Lektüre des Werkes unabhängig von dem 1908 schon allgemein bekannten
Lebensschicksal N.s einschließlich seiner geistigen Umnachtung war damals
und danach kaum mehr möglich, so dass sich bald heftige Diskussionen daran
entzünden mussten, ob und inwiefern EH Ausdruck des Wahnsinns sei. Sig-
 
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