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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0388
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Stellenkommentar EH weise, KSA 6, S. 264-265 365

Gesundheit verfaßt." (KSB 8, Nr. 1014, S. 290, Z. 26-31; zum Dynamometer vgl.
NK KSA 6, 124, 11 f.).
265, 5 Exuberanz des Geistes] Vgl. NK KSA 6, 27, 26 f.
265, 8-13 Mitten in Martern, die ein ununterbrochner dreitägiger Gehirn-
Schmerz sammt mühseligem Schleimerbrechen mit sich bringt, — besass ich eine
Dialektiker-Klarheit par excellence und dachte Dinge sehr kaltblütig durch, zu
denen ich in gesünderen Verhältnissen nicht Kletterer, nicht raffinirt, nicht kalt
genug bin.] Vgl. N.s Brief an Brandes vom 10. 04. 1888, wo es — freilich nicht
spezifisch auf Genua und M bezogen — heißt: „Meine Spezialität war, den
extremen Schmerz cru, vert mit vollkommener Klarheit zwei bis drei Tage hin-
tereinander auszuhalten, unter fortdauerndem Schleim-Erbrechen." (KSB 8,
Nr. 1014, S. 290, Z. 21-24) Ähnlicher Symptombeschreibungen bediente sich N.
schon früher, als er etwa an Carl von Gersdorff am 17. 04. 1875 berichtete, er
habe „mit einem dreissigstündigen Kopfschmerz und vielem Galle-Erbrechen
zu Bette" gelegen (KSB 5, Nr. 439, S. 41, Z. 42 f.).
265, 13-15 Meine Leser wissen vielleicht, in wie fern ich Dialektik als Deca-
dence-Symptom betrachte, zum Beispiel im allerberühmtesten Fall: im Fall des
Sokrates.] Vgl. GD Das Problem des Sokrates 6-7, KSA 6, 70 u. NK ÜK GD Das
Problem des Sokrates. Dort kritisiert N. die angeblich pöbelhafte decadence-
Dialektik des Sokrates als Mittel eines Ohnmächtigen und spricht ihr jede Legi-
timität ab; hier (265, 10-15) präsentiert N. sich selbst als Dialektiker. Mit Hilfe
situativ überhöhter Darstellung des eigenen, früheren Leidens kann er einer-
seits seine Kenntnis der decadence als intim ausweisen, da am eigenen Leibe
erfahren, andererseits aus dieser Erfahrung auch die Berechtigung schöpfen,
als Kritiker und Therapeut der decadence aufzutreten.
265, 15-20 Alle krankhaften Störungen des Intellekts, selbst jene Halbbetäu-
bung, die das Fieber im Gefolge hat, sind mir bis heute gänzlich fremde Dinge
geblieben, über deren Natur und Häufigkeit ich mich erst auf gelehrtem Wege zu
unterrichten hatte. Mein Blut läuft langsam. Niemand hat je an mir Fieber con-
statiren können.] Vgl. N.s Brief an Brandes, 10. 04. 1888: „Ich habe nie ein
Symptom von geistiger Störung gehabt; selbst kein Fieber, keine Ohnmacht.
Mein Puls war damals so langsam wie der des ersten Napoleons (= 60)" (KSB 8,
Nr. 1014, S. 289 f., Z. 18-21). So ganz deckt sich das nicht mit N.s früheren
Krankenbulletins, vgl. z. B. den Entwurf seines Briefes an Overbeck, 14. 08.
1883, KSB 6, Nr. 450, S. 426, Z. 46-49: „Das langwierige Nervenfieber gab mir
einen Begriff von der tiefen Erschütterung meines Wesens — denn ich hatte
überhaupt bis dahin noch nie Fieber gehabt und mich für unfähig dazu
gehalten" (vgl. Volz 1990, 131 f.).
 
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