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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0402
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Stellenkommentar EH weise, KSA 6, S. 269-270 379

legen, die mir imponirt hat) Das ist ein prachtvolles Stück Mensch und Mann
und mir wegen seiner heroischen Grundstimmung durch und durch ver-
ständlich und sympathisch. Endlich, endlich ein neuer Mensch, der zu mir
gehört und instinktiv vor mir Ehrfurcht hat! Zwar einstweilen noch trop wagne-
tise, aber durch die rationale Zucht, die er in der Nähe Dührings erhalten
hat, doch sehr zu mir vorbereitet!" (N. an Overbeck, 14. 09. 1884, KSB 6,
Nr. 533, S. 531, Z. 23-32) Umfassend zu Stein informiert Bernauer 1998, ferner
Janz 1978, 2, 325-336.
270, 5 ausserdem noch in den Dühring'schen] Stein hatte beim positivistischen
„Wirklichkeitsphilosophen" Eugen Dühring (1833-1921), gegen den N. trotz
aller Interessensüberschneidungen erhebliche Vorbehalte hegte (vgl. NH 413
und Venturelli 2003, 203-237), in Berlin studiert und seine Dissertation unter
Dührings Einfluss geschrieben (vgl. Bernauer 1998, 75-79).
270, 9 f. man sei nicht umsonst 6000 Fuss über Bayreuth] Bayreuth liegt auf
340 m über Meer, Sils-Maria auf 1803 m über Meer. Die Differenz von 1463 m
entspricht freilich nur 4661 ^ preußischen Fuß (oder Rheinfuß zu 0,31385 m).
Aber vielleicht hat N. in sächsischen Fuß zu 0,28319 m gerechnet und käme so
immerhin auf 5166 Fuß. In Weimar lebte man mit 0,28198 m sogar auf noch
kleinerem Fuß. Aber „6000 Fuss" klingen erheblich bedeutungsvoller als
5188 1/3 Weimarer Fuß; die Formel in 270, 9 f. ist angelehnt an die Formulierung
im „Entwurf" „Die Wiederkunft des Gleichen" in NL 1881, KSA 9,
11[141], 494: „6000 Fuss über dem Meere", vgl. NK 335, 8 f.
270, 13-15 eher schon hätte ich mich — ich deutete es eben an — über den guten
Willen zu beklagen, der keinen kleinen Unfug in meinem Leben angerichtet hat] Das
Thema wird bereits zu Beginn des Abschnitts in 269, 16 f. intoniert. Es handelt
sich um die ironische Umkehrung der berühmten Eingangspassage von Kants
Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, AA IV, 393: „Es ist überall nichts in der
Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu denken möglich, was ohne Ein-
schränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille."
270, 15-19 Meine Erfahrungen geben mir ein Anrecht auf Misstrauen überhaupt
hinsichtlich der sogenannten „selbstlosen" Triebe, der gesammten zu Rath und
That bereiten „Nächstenliebe". Sie gilt mir an sich als Schwäche, als Einzelfall
der Widerstands-Unfähigkeit gegen Reize] Eine solche „Unfähigkeit zum Wider-
stand" (AC 29, KSA 6, 200, 1) attestiert N. seinem „Typus des Erlösers". EH
Warum ich so weise bin 4 macht deutlich, dass N. diese Unfähigkeit als ihm
radikal entgegengesetzt und überwindungsbedürftig begreift. Aus diesem
Abschnitt wird deutlich, dass von der gerne behaupteten Identifikation des
späten N. mit Jesus keine Rede sein kann (vgl. z. B. NK KSA 6, 200, 31-201, 2).
 
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