Metadaten

Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0410
Lizenz: In Copyright

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Stellenkommentar EH weise, KSA 6, S. 272-274 387

unter mir] „sie" bezieht sich offenkundig auf die „Rach- und Nachgefühle[.]"
(273, 16 f.).
273, 31-33 Sich selbst wie ein Fatum nehmen, nicht sich „anders" wollen — das
ist in solchen Zuständen die grosse Vernunft selbst.] Dass der „russische
Fatalismus" (273, 23 f.) unter decadence-Bedingungen selbst für das starke Indi-
viduum geboten sei, gibt eine großartige Rechtfertigung dafür ab, dass der
Starke mitunter nicht so stark erscheint, wie er es eigentlich sein mag. Leider
entfallen, wenn sich das starke Individuum in den „Winterschlaf" (272, 23 f.)
absentieren darf, alle Beurteilungskriterien dafür, aktual festzustellen, wer
denn eigentlich zu den wirklich „Schwachen" (273, 12) gehört und wer über
eine „reiche Natur" (273, 13) verfügt.
Der Schluss von EH Warum ich so weise bin 6 soll jenen „amor fati", den
N. zu einem philosophischen Hauptstück macht (vgl. NK 297, 24 f.), als tatsäch-
lich gelebt, als tatsächlich inkorporiert erscheinen lassen. Das ganze Kapitel
arbeitet systematisch darauf hin, moralische, religiöse oder metaphysische
Probleme auf Leiblichkeit zurückzuführen: Ressentiment sei ebenso ein Leib-
phänomen wie „Instinkt-Sicherheit" (273, 20) es ist — selbst eine Reli-
gion wie der Buddhismus sei nur Leib-„ Hygiene" (273, 4). Die Rückführung
geistiger Phänomene auf Leiblichkeit ist für den N.-kundigen Leser auch mit
der letzten Textzeile deutlich angezeigt: „die grosse Vernunft" spielt auf
Za I Von den Verächtern des Leibes an: „Der Leib ist eine grosse Vernunft, eine
Vielheit mit Einem Sinne, ein Krieg und ein Frieden, eine Heerde und ein
Hirt. / Werkzeug deines Leibes ist auch deine kleine Vernunft, mein Bruder,
die du ,Geist' nennst, ein kleines Werk- und Spielzeug deiner grossen Ver-
nunft." (KSA 4, 39, 10-14).

7
274, 2 Ein ander Ding] Die altertümliche Wendung benutzt N. schon in MA I
472, KSA 2, 306, 32 und in Za I Von den Hinterwäldlern, KSA 4, 37, 30.
274, 2 f. Ich bin meiner Art nach kriegerisch.] Krieg und Kriegführen ist ein
Leitmotiv beim späten N., vgl. z. B. NK KSA 6, 57, 12-14 u. Siemens 2009.
274, 3-5 Feind sein können, Feind sein — das setzt vielleicht eine starke Natur
voraus, jedenfalls ist es bedingt in jeder starken Natur.] Die Gegenfigur zum
sprechenden Ich stellt wiederum Jesus nach der „Psychologie des Erlösers" in
AC dar, der sich durch „Instinkt-Ausschliessung aller Abneigung,
aller Feindschaft" (AC 30, KSA 6, 200, 31 f.) auszeichnet und bekanntlich
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften