Stellenkommentar EH klug, KSA 6, S. 286-287 421
bei Herrmann 1887, 231-233, der Byrons Manfred als pessimistisches Vorzeige-
stück behandelt. N.s Verhältnis zu Byron, zu seinem Manfred und zu den darin
transportierten „tödtlichen Wahrheiten" erörtert eingehend Kinzel 2009.
286, 26-29 Ich habe kein Wort, bloss einen Blick für die, welche in Gegenwart
des Manfred das Wort Faust auszusprechen wagen. Die Deutschen sind unfä-
hig jedes Begriffs von Grösse: Beweis Schumann.] Vgl. z. B. Herrmann 1887,
231, der die beiden „Tragödien Faust und Manfred, welche mit Hiob in eine
gewisse Parallele gestellt werden können", heranzieht, um „den Pessimismus
zu betrachten". Louis Kelterborn meldete N. schon am 31. 12. 1878: „Ich erin-
nerte mich dann wieder an Ihre Auseinandersetzung des Unterschieds zwi-
schen Faust und Manfred und daß Schumanns Musik eher eine Faustmusik
wäre." (KGB II 6/2, Nr. 1136, S. 1011) Gemeint ist Robert Schumanns Melodram
Manfred (1848/49, Opus 115) zu Lord Byrons dramatischem Gedicht. Siehe auch
Stendhal 1855, 2, 254: „Goethe a donne le diable pour ami au docteur Faust,
et avec un si puissant auxiliaire, Faust a fait ce que nous avons tous fait ä
vingt ans, il seduit une modiste." („Goethe hat den Teufel dem Doktor Faust
zum Freund gegeben, und mit einem so mächtigen Helfer hat Faust das
gemacht, was wir alle mit 20 Jahren gemacht haben: Er verführt eine Modis-
tin.") Nicht viel freundlicher ist Taine 1880, 3, 125 f.: „In welche Mittelmäßigkeit
und Flachheit /126/ versinkt neben ihm [sc. Byrons Manfred] der Goethesche
Faust! [...] Ist das ein Held? Ein trauriger Held [...]. Seine größte Handlung ist
die Verführung einer Grisette und ein nächtlicher Tanz in schlechter Gesell-
schaft, zwei Heldenthaten, die alle Studenten vollbracht haben. Seine Willens-
äusserungen sind Anwandlungen, die nicht zur That reifen, seine Ideen sehn-
suchtsvolle Erhebungen und Träume. [...] Mit einem Worte, der Charakter fehlt,
es ist ein deutscher Charakter. Welch ein Mann ist Manfred neben ihm!" (Nach-
weise bei Campioni 1996, 418).
286, 30-287, 1 Ich habe eigens, aus Ingrimm gegen diesen süsslichen Sachsen,
eine Gegenouvertüre zum Manfred componirt, von der Hans von Bülow sagte,
dergleichen habe er nie auf Notenpapier gesehn: das sei Nothzucht an der
Euterpe.] N. hatte in seinem Brief vom 20. 07. 1872 an den Dirigenten und Kom-
ponisten Hans von Bülow (1830-1894) um ein Urteil zu seiner eigenen Man-
fred-Ouvertüre gebeten (KSB 4, Nr. 240, S. 26 f.). Bülow antwortete am 24. 07.
1872: „Doch zur Sache: Ihre Manfred-Meditation ist das Extremste von phantas-
tischer Extravaganz, das Unerquicklichste und Antimusikalischeste was mir
seit lange [sic] von Aufzeichnungen auf Notenpapier zu Gesicht gekommen ist.
Mehrmals mußte ich mich fragen: ist das Ganze ein Scherz, haben Sie viel-
leicht eine Parodie der sogenannten Zukunftsmusik beabsichtigt? Ist es mit
Bewußtsein, dass Sie allen Regeln der Tonverbindung, von der höheren Syntax
bei Herrmann 1887, 231-233, der Byrons Manfred als pessimistisches Vorzeige-
stück behandelt. N.s Verhältnis zu Byron, zu seinem Manfred und zu den darin
transportierten „tödtlichen Wahrheiten" erörtert eingehend Kinzel 2009.
286, 26-29 Ich habe kein Wort, bloss einen Blick für die, welche in Gegenwart
des Manfred das Wort Faust auszusprechen wagen. Die Deutschen sind unfä-
hig jedes Begriffs von Grösse: Beweis Schumann.] Vgl. z. B. Herrmann 1887,
231, der die beiden „Tragödien Faust und Manfred, welche mit Hiob in eine
gewisse Parallele gestellt werden können", heranzieht, um „den Pessimismus
zu betrachten". Louis Kelterborn meldete N. schon am 31. 12. 1878: „Ich erin-
nerte mich dann wieder an Ihre Auseinandersetzung des Unterschieds zwi-
schen Faust und Manfred und daß Schumanns Musik eher eine Faustmusik
wäre." (KGB II 6/2, Nr. 1136, S. 1011) Gemeint ist Robert Schumanns Melodram
Manfred (1848/49, Opus 115) zu Lord Byrons dramatischem Gedicht. Siehe auch
Stendhal 1855, 2, 254: „Goethe a donne le diable pour ami au docteur Faust,
et avec un si puissant auxiliaire, Faust a fait ce que nous avons tous fait ä
vingt ans, il seduit une modiste." („Goethe hat den Teufel dem Doktor Faust
zum Freund gegeben, und mit einem so mächtigen Helfer hat Faust das
gemacht, was wir alle mit 20 Jahren gemacht haben: Er verführt eine Modis-
tin.") Nicht viel freundlicher ist Taine 1880, 3, 125 f.: „In welche Mittelmäßigkeit
und Flachheit /126/ versinkt neben ihm [sc. Byrons Manfred] der Goethesche
Faust! [...] Ist das ein Held? Ein trauriger Held [...]. Seine größte Handlung ist
die Verführung einer Grisette und ein nächtlicher Tanz in schlechter Gesell-
schaft, zwei Heldenthaten, die alle Studenten vollbracht haben. Seine Willens-
äusserungen sind Anwandlungen, die nicht zur That reifen, seine Ideen sehn-
suchtsvolle Erhebungen und Träume. [...] Mit einem Worte, der Charakter fehlt,
es ist ein deutscher Charakter. Welch ein Mann ist Manfred neben ihm!" (Nach-
weise bei Campioni 1996, 418).
286, 30-287, 1 Ich habe eigens, aus Ingrimm gegen diesen süsslichen Sachsen,
eine Gegenouvertüre zum Manfred componirt, von der Hans von Bülow sagte,
dergleichen habe er nie auf Notenpapier gesehn: das sei Nothzucht an der
Euterpe.] N. hatte in seinem Brief vom 20. 07. 1872 an den Dirigenten und Kom-
ponisten Hans von Bülow (1830-1894) um ein Urteil zu seiner eigenen Man-
fred-Ouvertüre gebeten (KSB 4, Nr. 240, S. 26 f.). Bülow antwortete am 24. 07.
1872: „Doch zur Sache: Ihre Manfred-Meditation ist das Extremste von phantas-
tischer Extravaganz, das Unerquicklichste und Antimusikalischeste was mir
seit lange [sic] von Aufzeichnungen auf Notenpapier zu Gesicht gekommen ist.
Mehrmals mußte ich mich fragen: ist das Ganze ein Scherz, haben Sie viel-
leicht eine Parodie der sogenannten Zukunftsmusik beabsichtigt? Ist es mit
Bewußtsein, dass Sie allen Regeln der Tonverbindung, von der höheren Syntax